Brennende Kontinente
Angors.«
»Noch bin ich keiner von ihnen, werter Herr Seskahin«, gab Gän zur Antwort. »Ich zweifle daran, dass ich jemals ein vollwertiges Mitglied des Ordens der Hohen Schwerter sein werde. Mein Wuchs, meine Herkunft stehen dem im Weg.« Er lachte freudlos auf. »Vielleicht könnte ich mich einem der Ritter als Reittier andienen.«
»Wir alle haben Wünsche, die nicht wahr werden, Gän.«
»Euren sehnlichsten erahne ich, werter Der Nimmersatte setzte sich neben ihn. »Er wiegt ungleich schwerer denn meiner, habe ich Recht?«
»Ich würde nicht abstreiten, dass es stimmt.«
Gän schaute ebenso in die Ferne. »Ich biete Euch an, dass ich Euch begleite«, sprach er mit seiner volltönenden Stimme. »Nach dem, was ich über einen Qwor gehört habe, traue ich mir zu, diese Biester zu erledigen. Und Angor würde es sehr gefallen, wenn ich mich für Euren Kontinent einsetzte. Als Gott der Jagd hat er es gern, wenn sich Kreaturen und Tiere messen.«
Lorin wandte ihm den Kopf zu und betrachtete die weißen Augen; die Doppelpupillen waren groß
und wirkten wie schwarze Inseln, die auf einem Milchsee schwammen. »Ich danke Euch für Euer Angebot, Gän. Tatsächlich seid Ihr der Erste, der es mir macht.«
»Das spricht nicht unbedingt für Ulldart.« »Ich verstehe, dass sich die Menschen auf Ulldart um An‐
gelegenheiten kümmern, die ihnen näher sind. Nicti, Kensustrianer, dann die rätselhaften Vorgänge in Borasgotan, die Ungewissheiten in Tersion und die Rolle des Kaiserreichs ... Das sind viele Brennpunkte auf dem eigenen Land.« Lorin blickte wieder in die Ferne.
»Dennoch wäre es möglich gewesen, Euch in irgendeiner Weise Hilfe anzubieten«, beharrte Gän. »Ich muss gestehen, dass ich die Engstirnigkeit von Ritter Tokaro nicht verstehe. Er sollte es als eine besondere Herausforderung unseres Gottes Angor sehen, die Qwor zu bekämpfen.«
»Ich werde den Großmeister aufsuchen und ihn bitten, ein gutes Wort bei Tokaro für Bardhasdronda einzulegen«, verriet Lorin dem Nimmersatten. »Meine Angst um die Lieben zu Hause steigt und steigt. Die Qwor könnten gewachsen sei»
und schrecklich unter den Menschen wüten.«
»Bis Ihr den Großmeister gefunden habt, verstreichen Wochen.« Aus Gans Kehle erklang ein tiefes Seufzen. »Ich kann Euch nur meine Hilfe antragen, werter Herr Seskahin.«
»Ich danke Euch, Gän. Sollte ich meinen Halbbruder entführen müssen, komme ich darauf zurück.«
Lorin zwinkerte, damit das Wesen sah, dass er es nicht ernst gemeint hatte, und schwang sich von der Mauer auf den Wehrgang. »In meinen Augen seid Ihr der beste Ritter Angors, den es auf Ulldart gibt. Wenn Ihr nur der Statur wegen nicht in den Orden aufgenommen werdet, wäre es ein Armutszeugnis für die Ritterschaft.« Er reichte ihm die Hand. »Ich verabschiede mich von Euch. R/trer Gän.«
Der Nimmersatte schlug vorsichtig ein und deutete eine Verbeugung an. Auf dem nichtmenschlichen Antlitz regte sich Stolz. »Meinen Dank, werter Herr Seskahin. Verliert das Vertrauen nicht. Es wird sich alles zum Guten wenden.«
»Ich hoffe es.« Lorin verließ die Stadtmauer und kehrte in seine Unterkunft zurück, als der Regen einsetzte.
Zu seinem großen Erstaunen fand er Estra dort, die sich in eine unauffällige beigefarbene Robe und einen schwarzen Mantel mit Kapuze gekleidet hatte. Sie saß neben dem Fenster, die Hände im Schoß
gefaltet. »Da bist du ja«, sagte sie erleichtert. »Ich wollte gerade gehen.« Sie stand auf und kam auf ihn zu.
»Hatten wir eine Verabredung?« Er hängte seinen Umhang an den Haken. Sie schüttelte den Kopf, streifte die Kapuze zurück. »Nein, es war nichts vereinbart. Ich wollte den Nicti entkommen. Es ist schwierig, als Heilige verehrt zu werden, wenn man es nicht schafft, einen Menschen davon zu überzeugen, eine
sinnvolle, gute Tat zu tun.«
Lorin nahm sie bei den Schultern. »Mach dir keine Vorwürfe, Estra. Tokaro ist stur.« Er lächelte sie aufmunternd an. »Ich werde zum Großmeister des Ordens reisen und ihn darum bitten, Tokaro auf Geheiß der Hohen Schwerter nach Bardhasdronda zu entsenden. Er wird mich deswegen sicherlich hassen, aber es ist der einzige Weg.« Er ließ sie los und sah nach dem erloschenen Kamin. »Es ist noch recht kühl für Frühling, oder?«
Estra beobachtete ihn und fühlte wieder diese verfluchte Zuneigung. »Er wird dich niemals begleiten«, raunte sie.
»Was sagtest du?« Er wühlte in der Asche und legte dünne Späne in die Glutreste. Kleine
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