Brennende Kontinente
Flämmchen loderten auf.
Sie schloss die Augen. »Tokaro glaubt, dass wir einander mögen. Mehr als nur mögen.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
»Später wird einmal in den Geschichtsbüchern stehen, dass eine Stadt vernichtet wurde, weil der Held sich aus Eifersucht weigerte, den Menschen zu helfen.« Lorin legte dicke Scheite nach. »Genau das werden die Worte sein, die ich dem Großmeister sage. Die Welt wird erfahren, dass es ein Mitglied der Hohen Schwerter war, das den Untergang nicht verhinderte. Ich werde über die Kontinente ziehen und es laut hinausschreien.« Er stand auf und kehrte zu Estra zurück, sie hob die Lider. »Es ist meine stärkste Drohung. Mehr vermag ich nicht zu tun.« Tränen glänzten in seinen Augen. »Im Grunde musste ich Tokaro für seine Art hassen.«
Estra nahm ihn in die Arme. »Es tut mir so Leid. Ich würde gern mehr für dich und ...«
Die Tür flog mit einem lauten Krachen auf, und Tokaro stand
auf der Schwelle. Regen rann über seinen Kopf, über seine Rüstung, und die Rechte hielt die aldoreelische Klinge. »Ich wusste es von Anfang an«, grollte er und reckte das Schwert gegen die beiden. »Ich wusste es!«, schrie er außer sich.
Estra Heß Lorin sofort los. »Nein, du weißt gar nichts«, hielt sie mutig dagegen. »Du siehst nur, was du sehen willst!«
»Steck das Schwert weg«, sagte Lorin kühl. »Setze es gegen deine Feinde, aber nicht gegen deine Freunde ein.«
»Freunde?« Tokaro spie aus. »Dass ich nicht lache! Mein Halbbruder steigt meiner Gefährtin nach und verlangt auch noch, dass ich ihm gegen irgendwelche Ungeheuer helfe. Und du ...«, er blitzte Estra an,
»du bist die abscheulichste Lügnerin, die mir untergekommen ist. Du schlägst sogar Zvatochna.« Er kam auf sie zu.
»Weg mit dem Schwert!«, verlangte Lorin und packte den Schürhaken, wissend, dass die aldoreelische Klinge das Eisen durchschneiden würde. Die wahnsinnigen Augen des Ritters ließen ihn um das Leben der Inquisitorin fürchten, und er ent‐schloss sich anzugreifen, ehe es Tokaro tat. Natürlich bedeutete die Attacke keine Gefahr für Tokaro. Er ließ den Schürhaken durch eine schnelle Körperdrehung gegen die Schulterpanzerung prallen, dann schlug er mit dem Schwert zu und kappte das dicke Eisen in zwei Hälften.
Lorin sprang zurück, packte einen Stuhl und warf ihn nach dem Ritter. Der Aufschlag brachte Tokaro nicht einmal ins Wanken, das Möbel zerbrach, und ein Splitter ritzte die linke Wange; rot sickerte das Blut am Kinn entlang. »Nein, hört auf!«, rief Estra aufgeregt. »Beide!« »Ich habe nicht damit angefangen«, knurrte Tokaro und schlug nach Lorin.
Er tauchte unter dem Hieb weg und bekam das eiserne Knie
des Ritters in die Magengrube. Der Schlag mit dem Schwertgriff in den Nacken sandte ihn benommen auf den Boden,
stöhnend wälzte er sich herum.
Tokaro stand über ihm, die Spitze der aldoreelischen Klinge stieß nieder und hielt zwei Finger von der Kehle entfernt an.
Estra sprang hinzu und stieß den Ritter mit überraschender Stärke zurück. Er taumelte, fiel sogar und landete auf dem Rücken. »Lass ihn, du Narr!«, fauchte sie ihn an.
Tokaro sah ihre Augen gelblich leuchten, gewahrte ihre kräftigen Eckzähne. »Gän hatte Recht«, flüsterte er verzweifelt. »Die Zeichen! Ich habe sie gesehen und verstanden. Das Erbe deiner Mutter.«
Er stand mit viel Mühe auf und erkannte dort, wo sie ihn gestoßen hatte, leichte Dellen in der Rüstung. Dellen und Abdrücke ihrer Fingernägel. »Aber wo ist das Erbe von Nerestro in dir, Estra?«, fragte er aufgewühlt und lief hinaus, zurück in den abendlichen Regen.
Sie ging zur Tür und schaute ihm nach, dann senkte sie den Blick und betrachtete ihre Hände. Die Fingernägel kamen ihr länger vor als sonst.
»Danke.« Lorin stand neben ihr. »Ich bin mir nicht sicher, doch ich schulde dir mein Leben.«
»Er hätte dich nicht getötet«, lehnte sie ab. Sie schaute ihn an, sein Anblick machte ihre Verwirrung noch schlimmer. »Es tut mir Leid. Ich habe alles zerstört«, schluchzte sie plötzlich. »Ich hätte nicht herkommen sollen und ...« Sie berührte seine Wange und rannte hinaus. Der Regen prasselte auf sie nieder, durchnässte sie nach wenigen Schritten und mischte sich mit ihren Tränen.
Ihr Leben war bis vor wenigen Wochen so einfach gewesen, und dann kamen dieser stolze Ritter, sein Halbbruder und die Nicti. Sie hatten ihre schöne Welt zerstört, alles umgekrempelt und schwierig gemacht.
Für die
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