Brennende Kontinente
dies wäre ein Grund, warum mein Vater niemals
über meine Mutter sprach.«
Stoiko rieb sich über den ergrauten Schnauzbart. »Wie
viele Menschen außer uns wissen von Eurer Herkunft?«
»Nicht viele. Wenn es das Lager der Stürme noch gibt, können sich höchstens die ganz Alten daran entsinnen. Ansonsten gibt es niemanden.« Norina wirkte verunsichert. »Außer dem Menschen, der es dir berichtet hat, Lodrik.«
»Er ist schlau genug, es nicht weiter zu verraten. Ich weiß, wo ich ihn finden kann. Nach einer sehr freundlichen Bitte wird er seine Zunge hüten«, versicherte er ihr. Krutor hatte die Unterredung stumm, aber sehr aufmerksam verfolgt. »Ich komme mit dir, Norina«, sagte er. »Ich beschütze dich vor allen, die dir was Böses tun wollen. Bei mir bist du sicher.«
»Es wäre besser, wenn der Tadc in Ulsar bliebe, Krutor«, meinte Lodrik freundlich. »Die Menschen mögen dich, und solange Norina nicht da ist, wirst du Stoiko dabei helfen, Tarpol zu regieren.«
Der missgestaltete junge Mann runzelte die Stirn. »Aber sie ist viel schwächer als Stoiko.«
»Ich werde immer in ihrer Nähe sein, mein Sohn«, versprach Lodrik ihm und legte ihm eine Hand auf die seine. »Du musst dir keine Sorgen machen.«
Krutor war nicht wirklich damit einverstanden. »Das tue ich aber«, entgegnete er stur und steckte die Hände in die Taschen, wenngleich er einsah, dass weiterer Widerspruch zwecklos war. »Na schön. Aber ich finde es nicht gut«, beschwerte er sich halblaut.
Norina nickte ihren Freunden zu. »Also werde ich König Perdor meine Entscheidung wissen lassen. Danke, dass ihr mich unterstützt habt. Nun bitte ich Euch, bei gäbe ebenso an meiner Seite zu stehen. Stoiko als Kanzler, Waljakov als Ausbilder der Truppen und Krutor als Vizekanzler und Tadc, der Tarpol beschützt.« Sie richtete die braunen Augen auf ihren Gemahl. »Und du, Lodrik? Du willst mich also nach Borasgotan begleiten?«
»Ich werde im Schatten stehen und unsichtbar sein, dennoch über dich wachen und dich vor dem schützen, was man dir antun könnte«, antwortete er ihr. »Elenja wird es sich nicht gefallen lassen, dass man ihr die Macht nimmt. Seelen sind schnell.«
Mit Schrecken dachte Norina an die Vorkommnisse in Amskwa, und die Furcht, die Zvatochna ihr bei ihrer Begegnung ins Herz gepflanzt hatte, regte sich. Sie schrumpfte auf ihrem Sitz zusammen und blickte in die dunklen Ecken des Teezimmers.
»Es ist gut, dass du dabei bist«, raunte sie heiser und schaute rasch in ihre Tasse. Darin konnte nichts lauern, Tee war harmlos. Sie trank und versuchte, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. »Ich werde eine Liste anfertigen, was ich mit nach Borasgotan nehme und was nicht«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu den Männern. »Amskwa wird jedenfalls nicht der Hauptsitz werden«, beschloss sie. »Es ist zu viel geschehen, als dass dort ein glücklicher Neubeginn für Borasgotan möglich wäre.«
»Ihr beginnt bereits weise, Kabcara«, gab Stoiko seinen Beifall. »Welche andere Stadt käme dafür in Betracht?«
»Donbajarsk«, sagte Krutor mit einer Selbstverständlichkeit, als habe er sich eingehend mit dieser Frage beschäftigt. Alle schauten ihn verwundert an, was ihn sehr verunsicherte, »Donbajarsk ist eine schöne Stadt. Sie liegt an der Quelle des Repol und hat siebenundneunzig Brücken, zwei Hügel, auf denen ein Palast und eine Burg stehen, und den schönsten Ulldraeltempel des Reiches«, erklärte er tapfer.
»Woher wisst Ihr das, Tadc?«, fragte Stoiko verwundert.
»Seid Ihr ein Almanach?«
Krutor errötete, aus der Verunsicherung wurde Stolz. »Nein, Stoiko. Ich habe Donbajarsk auf einem Bild gesehen. Es hängt an der Wand des Bücherzimmers, und wenn die Sonne darauf schein, sieht der Repol aus, als fließe er wirklich aus dem Bild. Ein schönes Bild.«
Norina lächelte ihn an. »Da hört ihr es. Der Tadc hat der Kabcara eine schöne Stadt ausgesucht.« Sie nickte, und er grinste zufrieden. »Ich frage Perdor, was er von Donbajarsk hält. Hat er keine Einwände, so stimme ich zu, sie als neue Hauptstadt zu wählen.«
Lodrik wurde schlagartig von den Vorgängen im Zimmer abgelenkt. Ein schwaches blaues Flimmern huschte durch die Fenster und erschien vor ihm, kaum wahrnehmbar, aber präsent. Eine Seele hatte sich freiwillig zu ihm begeben.
»Soscha?«, fragte er. Es war ihm nicht möglich, die Kugel genau zu erkennen. Die Seele stand kurz vor ihrer endgültigen Vernichtung.
»Ich ...«, hörte er ihre
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