Brennende Kontinente
verunsichert und ohne einen Anführer, der sie zusammenhält.«
Stoiko hob die Hand. »Wir haben Nachricht von der Grenze, dass die Menschen dort es sehr gern sähen, wenn die Kabcara auch sie regierte.«
»Ich sehe schon.« Lodrik wandte sich an Stoiko. »Ich bin der Einzige, der gegen die Doppelregentschaft meiner Gemahlin spricht.«
»Nein, Herr«, sagte Waljakov trocken. »Du bist nur dagegen, weil dir in Tarpol ein Posten droht«, konterte Stoiko belustigt.
»Ich bin Krieger, kein Verwalter.«
Norina lachte, dann wurde sie ernster und schaute ihren Mann an. »Nenne mir deine Gründe.«
»Du bist eine starke Frau, Norina, und hast in deinem Leben mehr ertragen als die meisten. Auch Tarpol hat viel ertragen und sehnt sich nach Ruhe. Nach einer Kabcara, die für das Land da ist und nicht die überwiegende Mehrheit des Jahres in Borasgotan verbringt.«
»Wer sagt das ?«
»Es wird so sein. Zumindest am Anfang, bis du fest auf dem Thron sitzt«, erwiderte er. »Dein eigentliches Land wird dich selten sehen. Und das macht die Menschen unruhig.«
»Es herrschen geordnete Verhältnisse, was man in Borasgotan nicht behaupten kann«, hielt sie dagegen. »Die Menschen dort benötigen raschen Beistand, bevor sich aus den Wirren jemand erhebt, der dem gesamten Kontinent zu schaffen macht. Noch weiß vermutlich niemand, was es mit dem Ab‐
gang von Kabcara Elenja der Ersten auf sich hat.« Sie sah ihn abwartend an, seinen ersten Einwand hatte sie abgeschmettert.
»Es ist zwecklos«, meinte Lodrik nach kurzem Zögern. »Du hast dich bereits entschieden.«
»Nein, das habe ich nicht. Doch bislang konnte niemand einen wirklichen Einwand gegen meine Doppelregentschaft erheben.«
»Wie sieht es mit der Tatsache aus, dass deine Mutter Jengorianerin war? Denkst du, es könnte ein Nachteil für dich sein?« Lodrik kleidete das Wissen um ihre Herkunft in einen scheinbar harmlosen Satz. »Welchen Grund hätte es sonst, dass du und dein Vater es vor mir geheim gehalten haben?«
Norina zuckte zusammen. »Woher ... weißt du das?« »Ich habe es erfahren, als wir durch Borasgotan reisten«, log er sie an.
Stoiko, Waljakov und Krutor schauten sie erwartungsvoll an, keiner sagte etwas.
»Dann will ich es euch erklären. Meine Mutter starb sehr früh, die wenigsten kannten sie überhaupt«, erzählte sie leise. »Sie lernte meinen Vater durch einen Zufall kennen. Er kam bei seinen Reisen in jungen Jahren in ihr Lager, und sie verliebten sich. Allerdings widerstrebte es ihm, sich mit dem Glauben der Jengorianer näher zu befassen, denn er war ein treuer Anhänger Ulldraels. Wie seine Familie. So konnte aus ihrer Liebe nicht mehr als eine schöne, sehr kurze Begegnung werden. Bald darauf kam ich zur Welt, meine Mutter starb. Als mein Vater davon hörte, ließ er mich zu sich holen und zog mich allein auf.«
»Jengorianer«, sagte Waljakov nachdenklich. »Ich hatte nie etwas mit ihnen zu schaffen, aber andere meines Volkes sehr wohl. Wir sind beide Ausgestoßene und Einzelgänger. Der ein oder andere KʹTar Tur suchte in ihren Zelten Unterschlupf vor
Schneestürmen und Verfolgungen.«
»Weswegen hat dein Vater es niemals angesprochen?«, beharrte Lodrik. »Stell dir vor, e9 käme in Borasgotan ans Licht: Was gäbe es zu befürchten?«
Norina legte die Hände zusammen. »Ich weiß es nur aus den Erzählungen meines Vaters. Das Jengorianerlager, aus dem meine Mutter stammte, genoss nicht den besten Ruf. Es war das Lager der Stürme. Die Jäger haben anscheinend lieber die Gehöfte der Umgebung geplündert, anstatt sich ihr Geld mit dem Verkauf von Fellen und Fleisch zu verdienen.«
»Nun, das ist nichts Neues«, brummte Waljakov. »Nachdem die borasgotanischen Herrscher sie um den ihnen zustehenden Reichtum betrogen hatten, mussten sie sehen, wo sie blieben.«
»Es ist nicht gut, wenn ein KʹTar Tur die Jengorianer verteidigt«, gab Stoiko freundlich zu bedenken.
»Das ist so, als wolle ein Räuber einen Dieb verteidigen ‐ natürlich nur im übertragenen Sinne und aus der Sicht der einfachen Leute. Du weißt, dass ich von dir anders denke.«
Waljakov rieb sich über die Glatze. »Ich ahne, was du damit sagen willst.«
»Mein Vater sprach nie über die Jengorianer, aber einmal, als unsere borasgotanischen Tagelöhner auf dem Hof waren, belauschte ich ein Gespräch. Einer von ihnen behauptete, es gebe Jengorianer, welche die Seelen der Menschen den Geistern des Waldes und des Windes opferten. Mehr weiß ich nicht. Aber
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