Brennende Kontinente
Wunden und beschmierte es mit ihrem eigenen Blut. »Ihr wolltet eure Freiheit? Ich gebe sie euch, nachdem ihr den Mann getötet habt,
dem ihr einst dientet. Vernichtet ihn und geht danach, wohin ihr möchtet«, rief sie und trieb das Schwert mit Wucht in die Tischplatte. Die Zeichen auf der Klinge entflammten, eine Seele nach der anderen fuhr daraus hervor. »Entschuldige mich, Vater. Ich werde an einem anderen Ort gebraucht.«
Zvatochna nahm den Hut mit dem Schleier und setzte ihn sich auf, eilte hinaus.
»Er ist es wirklich«, säuselte eine helle Stimme neben Lodrik. »Endlich können wir ihn für seinen Verrat strafen und dann gehen.« Eine flimmernde Gestalt im Gewand einer vermögenden Frau erschien vor ihm. Er wusste, wen er vor sich hatte: Fjodora Turanow. Sie war vor etwa einhundert Jahren mit diesem Schwert hingerichtet worden, das die Seelen seiner Opfer fraß und sie in sich einschloss.
Zvatochna hatte dieses Gefängnis der Verdammten geöffnet. Mehr als dreißig Männer und Frauen in den unterschiedlichsten Kleidungen aus den unterschiedlichsten Zeiten nahmen eine menschliche Form an und standen mit ihren schimmernden Körpern um ihn herum.
Ihre toten, wütenden Augen stierten ihn an. Sie hatten ihren einstigen Herrn vor sich, und sein Tod bedeutete die lang ersehnte Freiheit, das Ende des Fluches. Sie schwiegen ihn an, dann bewegte sich der erste von ihnen auf Lodrik zu.
Es war ein Mann in der zerschlissenen Kleidung eines Tagelöhners, er hielt eine geisterhafte Sichel in der Hand. Zu Lebzeiten hatte er damit nicht weniger als elf Menschen getötet und verstümmelt.
»Ich habe Euch schon einmal bewiesen, dass ich Euch vernichten kann«, sprach er langsam und streckte die Arme nach rechts und links aus. »Wenn Ihr Vernichtung anstelle von Erlösung wollt, kommt her! 1 Lodrik hatte keine Vorstellung davon, was ihm bevorstand und wie sie ihm Schaden zuzufügen vermochten. Er machte einen Schritt vorwärts, auf die Tür zu, durch die Zvatochna verschwunden war.
Die Seelen wichen zwar zurück, aber sie verteilten sich blitzartig im Raum und schoben die schwersten Möbelstücke vor die beiden Ausgänge. Die Fenster wurden mit herausgerissenen Marmorplatten abgedunkelt und gesichert, Teile der hölzernen Deckenvertäfelung stürzten herab in die Flammen. Die Seelen schleuderten Vorhänge auf das Feuer, das daraufhin stärker brannte und qualmte. Es gab kein Durchkommen.
Fjodora erschien vor Lodrik, der wütend an dem Schrank und dem Regal rüttelte, das sie vor dem Ausgang aufgetürmt hatten. »Wir müssen dich nicht anfassen«, lachte sie glasklar. »Wir vernichten dich mit Feuer. Als Aschehäuflein hat dein Untotes Leben ein Ende.«
»Ihr entkommt mir nicht!«, schrie er und lief durch den Rauch zum Schwert. Mit einem Ruck zog er es hervor, packte den Griff mit beiden Händen und stellte sich neben den Kamin. »Was geschieht wohl, wenn ich das Schwert zerbreche, bevor ihr euren Auftrag erfüllt habt und nicht in die Klinge eingefahren seid?« Er nahm an der Kante maß und holte weit aus, drehte den Oberkörper, seine Muskeln spannten sich. »Ich wette, ihr alle werdet vergehen!«
»Nein!«, schallte es ihm aus allen Seiten des Raumes entgegen. Der Qualm um ihn herum bewegte sich heftig, als die Seelen in ihrer immensen Angst auf ihn zuflogen und doch nicht wussten, was sie gegen den Nekromanten unternehmen sollten.
»Dann lasst mich aus diesem Raum«, befahl er und wischte sich die Tränen aus den brennenden Augen. Seltsamerweise musste er nicht husten, der Rauch reizte seine Lungen nicht. Nicht mehr.
»Wir wollen frei sein.« Fjodora zeigte sich ihm als bläuliches Licht. »Wir haben genug davon, in diesem Schwert zu hausen. Du hast uns damals im Stich gelassen und dein Wort gebrochen. Wir wollen Rache!«
»Räumt die Möbel zur Seite, und ich entlasse euch«, versprach er. Die Hitze wurde unerträglich, die Kerzen des Kronleuchters zerflossen und rannen als wächserne Milch auf den Boden.
»Gib uns dein Blut auf die Klinge, werde unser Herr, und wir gehorchen. Ein letztes Mal.«
»Nein. Erst schiebt ihr die Möbel beiseite!« Er sah nichts mehr von seiner Umgebung, der Raum bestand nur mehr aus stinkendem Qualm, der mal heller, mal dunkler wurde; auch Fjodora verschwand in diesem Dunst. Dann hörte er, wie schwere Gegenstände über den Boden rutschten, es krachte laut, eine Tür schwang auf. Der Rauch zog sofort durch die entstandene Öffnung, der Brand bekam neue Luft zum Atmen und
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