Brennende Kontinente
schwach. »Wir werden den Schutt durchsuchen müssen. Ich möchte die Überreste von Aljascha und Vahidin vor mir sehen, ehe ich an ihren Tod glaube.« Es war zu spät, um nach den Seelen der Toten Ausschau zu halten, sie waren schon längst gegangen. »Lasst uns einen Gasthof in der Nähe suchen.«
»Da drüben.« Waljakov deutete nach links, die Straße hinab. Zum Galgen, stand auf dem Schild geschrieben.
Wie passend für einen Nekromanten. Lodrik nahm Norinas Hand, sie näherten sich dem Haus, während die Löschversuche der Amskwawiter andauerten. Die Schneeschicht auf den angrenzenden Gebäuden verhinderte, dass Funkenflug
weitere Brände entfachte. Das war ein Vorteil der langen Winter im Norden Ulldarts. Sie traten ein, und der Wirt, der ihnen mit zwei Wassereimern entgegenkam, empfing die vier Gäste verwundert. »Nur herein. Ich bin gleich zurück«, rief er ihnen im Vorbeilaufen zu. »Seid dennoch willkommen, auch wenn es die schlechteste Zeit ist, die man sich für einen Besuch auswählen kann.«
Er schrie einen Frauennamen und rannte hinaus.
Anscheinend war es seine Tochter, die gleich darauf aus einem Nebenzimmer trat.
»Wir möchten die besten Zimmer«, sagte Stoiko freundlich. »Die Herrschaften brauchen Ruhe. Wir kamen inmitten des Durcheinanders an und gerieten unter die Löscharbeiten«, erklärte er ihr ramponiertes Aussehen. »Ein Glück, dass wir dem Funkenregen entkamen.«
Das Mädchen nickte, führte sie die Treppe nach oben und wies ihnen Unterkünfte zu. Stoiko und Waljakov teilten sich ein Zimmer, Lodrik und Norina ein weiteres.
Norina legte sich sogleich auf das Bett, streifte die Stiefel ab und schloss die Augen. Als die grausamen Bilder zurückkehrten, öffnete sie rasch die Lider. »Sie hat mir die Angst eingebrannt«, sprach sie zu Lodrik. »Ich werde nie wieder schlafen können.«
Von draußen erklang lautes Rumpeln, ein Funkensturm flog gegen das Fenster und erlosch; das Dach des Palastes war eingestürzt.
»Du wirst«, beruhigte er sie. »Wie ist es ihr gelungen, dich nach Amskwa zu holen, obwohl du wusstest, was ich von Elenja dachte?« Es war nicht die Zeit, ihr wegen ihrer Reise Vorwürfe zu machen, doch es ärgerte ihn, dass sie sich leichtfertig in Gefahr gebracht hatte.
»Sie schrieb mir einen Brief. In dem stand, dass sie dich in ihrer Gewalt hätte und ich dich nur retten könnte, wenn ich zu ihr komme.« Norina antwortete matt, was ihren Worten noch mehr Wirkung gab. Lodrik seufzte, richtete ihr langes, schwarzes Haar. »Es tut mir Leid.«
»Es kann dir nicht Leid tun. Dich trifft keine Schuld. Elen ...
Zvatochna hat gewusst, wie sie mich ködern kann.«
»Das darf nie wieder geschehen«, sagte er eindringlich. »Solltest du jemals wieder Briefe erhalten, in denen man dich mit meinem Wohl oder meinem möglichen Tod erpresst, wirst du nichts unternehmen. Du wirst keine Forderungen erfüllen.« Er sah sie an. »Versprich es mir.«
Norina drehte den Kopf, schaute in seine blauen Augen und wunderte sich. »So hast du mich lange nicht mehr angesehen.«
Seine Stirn legte sich in Falten. »Wie meinst du das?«
»Voller Zuneigung, voller Liebe.« Sie lächelte und streichelte seine schmale Wange. »Wie früher, mein Gemahl.«
»Die Sorge um dich spült nach oben, was ich vergessen glaubte«, erwiderte er nachdenklich. »Es ist traurig, dass ich erst um dein Leben furchten musste, um mich an das zu erinnern, was wir teilen.«
»Du hast nichts vergessen.« Sie richtete sich auf. »Es sind die Toten, Lodrik. Sie rauben dir das, was dich zum Menschen macht.«
»Ich bin ein Toter«, erwiderte er ohne Bitterkeit.
»Unsinn. Dein Herz schlägt, deine Augen haben den Glanz der Lebenden. Aber du lässt zu, dass die Toten dich zu einem von ihnen machen.«
Er schwieg. Ihre Anschuldigung enthielt nur zum Teil etwas Wahres. Die Toten trugen keine Schuld, dass er seine
Macht über die Lebenden und die Toten genoss oder er es
liebte, Seelen zu betrachten und mit ihnen zu spielen. Die Grausamkeit in ihm hatten die Toten nicht zu verantworten. Es war der Drang, ständig neue Seiten seiner Nekromantie zu erforschen, dem er sich hingab. Sehr gern hingab.
»Ich höre keine Widerrede von dir, Lodrik.« Norina musterte besorgt sein Gesicht. »Habe ich die Wahrheit zu gut getroffen?«
»Nein. Sie haben keine Macht über mich. Ich herrsche über
sie«, wiegelte er harsch ab und stand auf. »Wohin willst du?«
»Nachsehen, was von Aljascha und Vahidin übrig blieb. Die
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