Brennende Kontinente
Schneemassen auf dem Dach werden das Feuer gelöscht haben.« Er ging zur Tür. »Ich werde Stoiko und Waljakov bitten, auf dich aufzupassen.«
»Es ist keine Flucht vor mir und den Worten, die du nicht hören möchtest?«
Er zwang sich zu einem Lächeln, die Mundwinkel gehorchten kaum. »Nein.«
»Ich glaube es dir nicht.«
»Dann kann ich es nicht ändern. Wir reden später weiter.« Lodrik verließ die Unterkunft, sagte den beiden Freunden Bescheid und verließ den Gasthof. Er spürte, dass Norina am Fenster stand und ihm nachschaute, vermutlich mit Zorn in den Augen.
Er konnte es ihr nicht verdenken, aber er hatte eine solche Unterredung schon zu oft mit ihr in Ulsar geführt, als dass er sich ihre Gründe anhören wollte. Es gab für ihn keine Rettung mehr, er gehörte Vintera. Mit Leib und vermutlich auch mit seiner Seele, was ihm jedoch nicht viel bedeutete. Die Menschen standen vor dem Gouverneurspalast und
starrten auf die rauchenden Trümmer, andere beschäftigten sich mit den toten Soldaten, fledderten sie und nahmen sich
deren Ausrüstung. Arme Menschen hatten immer Bedarf an Dingen, die man zu Geld machen konnte. Einige der toten Pferde wurden an Ort und Stelle zerteilt, Familien schleiften ganze Tiere davon, damit sie ihre Beute in Ruhe und mit Sorgfalt zerteilen konnten. Immerhin gab es auf diese Weise wenigstens noch etwas Sinnvolles im Tod.
Lodrik überquerte die Straße und wich den borasgotanischen Gardisten aus. Sie ritten heran und trieben die Menschen auseinander, verjagten sie aus der Nähe der Pferde und Toten. Er nutzte die Gelegenheit und schlüpfte durch den Haupteingang, während sie hinter ihm eine Absperrung um den Palast zogen, um zu verhindern, dass sich Plünderer am Eigentum von Elenja vergingen.
Lodrik schob die Kapuze tiefer ins Gesicht, stieg die Treppe nach oben und umgab sich mit einer Sphäre aus Angst. Immer wieder hörte er rasche Schritte, die sich hastig von ihm weg bewegten, einen erschrockenen Ausruf, das Scheppern eines fallenden Gegenstandes. Niemand gelangte näher an ihn heran als auf zwanzig Schritte.
Dichte Qualmwolken schlugen ihm entgegen. Der eisige Wind trieb sie wie in einem umgekehrten Kamin die breiten Flure entlang nach unten und drückte sie zur Tür hinaus. Lodrik fand den Raum, in dem alles begonnen hatte, nahezu rauchfrei vor. Teile der Decke waren eingestürzt, Balken lagen im Zimmer umher und hatten sowohl Möbel als auch die Leichen der Gardisten unter sich begraben; getauter
Schnee hatte Pfützen gebildet, es zischte gelegentlich, wenn
Glut und Wasser sich berührten.
Er ließ die Blicke schweifen und suchte die Stellen, an denen er Aljascha und ihren Sohn das letzte Mal gesehen hatte.
Trümmer versperrten ihm die Sicht, daher kroch er vorwärts,
zuerst zum Kamin.
So sehr er suchte: Es gab keinerlei Knochenreste, die auf Vahidin schließen ließen. Der Junge hatte den Angriff aus reinem Grauen anscheinend überstanden und sich danach aus den Flammen gerettet.
Wie kann er entkommen sein? Lodrik trat in den Kamin und schaute den Schlot hinauf. Schnee rieselte herunter, traf auch ihn und schmolz auf seinem Gesicht. Plötzlich spürte er einen heißen Tropfen, der auf seiner Haut brannte.
Fluchend wich er einen Schritt zurück und wischte sich die Flüssigkeit mit dem Ärmelaufschlag weg. Dunkelmagenta, fast schwarz haftete das Blut an dem Stoff. Es gehörte einem Wesen, das einen Zweiten Gott zum Vater hatte. Jetzt sah er es als Gewissheit, dass Vahidin verletzt und durch den Schlot entflohen war.
»Vintera hole dich! Das nächste Mal schneide ich dich in Streifen«, fluchte Lodrik und suchte nach Aljaschas Leiche. Außer einem verkratzten Schuh entdeckte er nichts von seiner ersten Gemahlin. Er wird sie doch nicht wiederbelebt haben?
Es führte wohl kein Weg am Aufstieg im Kamin vorbei, wenn er mehr über Vahidins Verbleib wissen wollte.
Lodrik fing an zu klettern. Das von oben einfallende Licht und seine empfindlichen Augen zeigten ihm jeden Riss, jeden Vorsprung, an dem er sich festhalten konnte. Dabei entdeckte er weitere feuchte Flecken an der Wand.
Als er das Ende erreicht hatte und sich über den Rand
schwang, wäre er beinahe ins Nichts gesprungen. Wie ein kahler, quadratischer Stamm ragte der Schlot in den Nachthimmel. Er erinnerte mit seiner Größe an die ursprüngliche Höhe des Palastes; die Trümmer des Daches befanden sich
zwanzig Schritte unterhalb von ihm.
Lodrik ging in die Hocke, weil der Wind stark an seiner
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