Brennende Schuld
Team treffen. Das, was zwischen Karin und ihm lief, hatte ihn so verunsichert, dass er eine objektive Plattform brauchte, auf der er die ganze Situation noch einmal in Ruhe besprechen konnte. Laureana Sanchez war inzwischen zur bekanntesten Persönlichkeit des Jahres aufgestiegen, und von Tag zu Tag machte sie die Insel als einen Hort antiker Heiligtümer berühmter. Journalisten aus aller Welt trafen in regelmäßigen Abständen ein. So jemanden beschuldigt niemand gerne, fünf Menschen ermordet zu haben.
»Angenommen, Prats ist unschuldig«, sagte der Bischof.
»Wenn Prats der gute Mensch ist, als den er sich beschrieben hat, dann ist Laureana verrückt«, sagte Elena.
Dem Surfer, der aus Madrid stammte, waren die Rücksichtnahmen auf der Insel fremd, und mit einem spöttischen Leuchten in den Augen attackierte er den Unterton von Besorgnis, der besonders beim Bischof nicht zu überhören war. »Und wenn er der böse Mensch ist, der Laureanas geliebten Vater umgebracht hat?«
»Dann ist er auch der Verbrecher«, erwiderte Elena schnell, »der den riesigen Gewinn aus den Geschäften mit Keulemans allein kassieren wollte, alle Mitwisser wegen seiner politischen Karriere beseitigte und der auch dich töten wollte, Costa.«
»Und du meinst, wir sollten jetzt zu Laureana fahren und sie fragen: Ist dein Stiefvater ein mehrfacher Mörder oder bist du verrückt?«, fragte Costa.
»Wir haben keine Beweise, was bleibt dir anderes übrig? Du solltest sie genauso konfrontieren wie Prats. Du bist da ziemlich gut. Man weiß nicht, wovon du sprichst, allmählich zieht sich das Netz zusammen, und erst wenn es zu spät ist, bemerkt man, dass es die eigenen Ängste waren, die einen verrieten.«
Als sie Costa zu seinem Dienstwagen begleitete, nahm er an, sie würde mit einsteigen, aber sie sagte, sie sei immer gerne dabei, wenn er seine Befragungen durchziehe, aber diesmal nicht. Ihre Anwesenheit würde die Chancen nur geringer machen.
»Nach dieser Voraussage kann ja nichts mehr schief gehen.«, sagte er, als er den Wagen aufschloss.
Sie streifte seine Hand, als sie ihm die Tür aufhielt. »Hast du deine Waffe dabei?«
Costa ließ den Motor anspringen und sah zu ihr empor. »Meinen Verstand?«
»Nein. Deine Beretta mit den 9-mm-Parabellumgeschossen.«
kapitel einundvierzig
Am Sonntag, als die Mutter mit Jaume Prats in der Kirche war, gelang es ihr, in die alte Wohnung in der Via Romana 38 einzudringen. Sie hatte den Schlüssel in der Handtasche der Mutter gefunden, weil die sich im letzten Moment entschlossen hatte, ganz ohne Tasche zu gehen. Sie hatte das bemerkt und durchsuchte die Tasche sofort, nachdem die beiden das Haus verlassen hatten. Sie fand den Schlüssel, wusste aber, dass sie ihn zurücklegen musste, bevor die Mutter wieder zu Hause war.
In der Via Romana ging sie sofort in Papis Büro, das mit all seinen Sachen vollkommen zugestellt war. Sie musste sich an Gerätschaften, Bücherkisten, Zeichenbrettern, einer riesigen Werkzeugkiste, hingeworfenen Kleidungsstücken und anderem Zeugs vorbeiarbeiten, um die Schuhe unter dem großen Globus zu finden. Die Zahnspange steckte im rechten Schuh. Sie nahm sie und schob sie in den Mund, aber sie passte nicht mehr.
Sie durchstöberte auch das Zimmer der Mutter und fand in einem der Bücher ein Foto von ihr, auf dem sie fünfundzwanzig war. Sie schaute direkt in die Kamera, was sie wegen ihrer langen Nase bei Fotos immer tat, und sah sehr schön aus. Sie betrachtete das Bild eine Weile. Das strahlende Lachen und die weißen Zähne. Die Mutter trug ein kurzes Jackett mit hohen, gepolsterten Schultern und einem andersfarbigen, aber gut abgestimmten Faltenrock; dazu eine weiße Bluse mit großem V-Ausschnitt. Den Hemdkragen hatte sie über das Jackett geschlagen, mit der rechten Hand hielt sie einen Veilchenstrauß gegen den Bauch gedrückt, und mit der anderen hakte sie sich bei dem Mann auf dem Foto unter. Um sich kleiner zu machen, lehnte sie sich bei ihm an, überragte ihn aber trotzdem um Kopfeslänge. In einem gestreiften Doppelreiher stand er da neben ihr, schmal und unbedeutend mit einem Hut in unternehmungslustiger Schräglage. Sein Arm war angewinkelt, und in der Hand hielt er ein Paar Lederhandschuhe. In der anderen eine Zigarre – etwas angehoben, weil er wohl gerade nach seinem Hut greifen wollte, den sie bei dem Versuch, sich anzulehnen, verschoben hatte.
Der Mann war Onkel Jaume.
Sie versah diese Feststellung in ihrem Tagebuch mit mehreren
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