Brennende Schuld
standen die Dinge im Zimmer zwar auf ihrem Platz, aber zugleich lastete all ihr Gewicht auf ihrem Körper.
Sie wollte sich aus dem Bett rollen, um zur Tür zu gelangen. Als sie fiel, konnte sie plötzlich ihre Beine und Arme wieder bewegen und aufspringen. Ihre Kleider am Boden konnte sie nicht anziehen, sie waren zu klein oder schienen eingeschrumpft, also ließ sie sie wieder fallen. Sie stellte sich vor ihr Zimmer und horchte. Sie hörte Stimmen, Reden, leises Lachen und das Knarren des Bettes im Elternschlafzimmer. Ihre Gier, sie zu belauschen, war so stark, dass sie sich bis an ihre Zimmertür schlich. Es war jetzt kein Lachen mehr zu hören, sondern ein Wimmern oder Stöhnen. Es war so leise, dass sie das Ohr an die Tür halten musste. Vergeblich, es herrschte Stille.
Sie fuhr erschreckt zusammen, als mit einem Ruck die Tür aufgerissen wurde. Die Mutter.
»Was machst du denn hier?« Sie trug ihren goldenen Morgenrock. Ein leichter Windzug bewegte die Seide.
»Mir ist schlecht. Und ich habe Kopfschmerzen«, stotterte sie.
»Ich denke, du bist in der Schule.«
»Sie haben mich nach Hause geschickt. Ich soll lieber ins Bett.«
Die Mutter legte die rechte Hand flach auf ihre Brust, als wollte sie sich schützen. Sie trug verschiedene Ringe mit Edelsteinen. Auch an ihrem Hochzeitsring war ein Diamant. »Und was geisterst du hier nackt durchs Haus?«
Sie versuchte, an der Mutter vorbei ins Zimmer zu blicken. »Ich dachte, es ist niemand da. Ich wollte Kopfschmerztabletten.« Sie konnte nicht sehen, ob ihr Papi im Zimmer war, aber sie dachte, er würde schon herauskommen, wenn er ihre Stimme hörte. Daher hatte sie die letzten Sätze sehr laut gesprochen.
»Warum schreist du so?«, fragte die Mutter und machte einen Schritt auf sie zu, als wäre sie ein Hund, den sie vertreiben wollte.
Sie ließ sich aber nicht vertreiben. Im Gegenteil, sie meinte, aus dem Zimmer etwas gehört zu haben. Dann fiel etwas um. Es klang wie die Vase auf dem kleinen Ziertisch, der in der Nähe der Balkontür stand. Die Mutter schaute ins Zimmer, zischte laut, machte eine schnelle Bewegung mit dem Arm, und die Katze sauste zwischen den beiden hindurch, die Galerie entlang und die Treppe hinunter. Die Katze konnte das Geräusch aber nicht gemacht haben. Oder hatte sie jemand erschreckt?
»Geh ins Bett, ich bringe dir Tabletten«, sagte die Mutter und machte die Tür zu. Dann riss sie sie noch einmal auf. »Und zieh dir was an, wenn du durchs Haus gehst!«
Papi wird seine Gründe gehabt haben, sich nicht zu erkennen zu geben und wieder abzureisen, dachte sie, als sie langsam den Flur entlangging.
kapitel neunundzwanzig
»Musst du so schnell fahren?«, fragte Karin. »Wir sind doch früh genug.«
Costa war in Gedanken. Keulemans hatte ein unwiderlegbares Alibi. Der wirkliche Mörder hatte nicht nur ihn beseitigt, sondern alle, die mit diesem Fall zu tun hatten. Ruben Cepero, der Feuervogel. Alles fügte sich wie in einem Puzzle zusammen. Ruben Cepero war für Keulemans geflogen. Keulemans hatte den Transport zur Küste organisiert: störungsfrei dank Monsieur Habré, der seine Seele für tausendfünfhundert Euro verkauft hatte. Dort hatte Cepero die Medikamente übernommen.
Die 50-kg-Pakete waren in Algerien mit genau ausgerechneten Gewichten beschwert worden – ein Verfahren, das die Kartelle Südamerikas seit Jahrzehnten anwandten –, damit sie nach dem Abwurf aus Ceperas Löschflugzeug vor der ibizenkischen Küste untergingen. Ein Boot zum Auffischen brauchten sie nicht, denn die Mengen waren geringer als bei Kokain, und dabei war der Inhalt ungleich wertvoller. Die beiden jungen Farbigen in Taucheranzügen konnten die Pakete problemlos bergen. Vierzehn Sekunden benötigte Cepero zur Wasseraufnahme, noch weniger zum Abwurf. Und für jemanden, der einen Pool von sechzehn mal acht Metern in einem Meer von Rauch und Flammen traf, dürfte es ein Kinderspiel gewesen sein, die Kisten metergenau zu wassern.
Die Taucher zogen die Fracht in die Höhle, lösten die Gewichte, und die Ware ploppte an die Oberfläche.
Keulemans überwachte anschließend die rasche Entfernung der verräterischen Aufkleber und die Umverpackung in kleine Plastikcontainer. Das dürfte bei achttausend Einheiten pro Kubikmeter eine Weile gedauert haben. Die Container mit der empfindlichen Ware wurden so lange im Trockeneis gelagert.
War die Lieferung fertig, fanden die Angestellten bei Medesign morgens in den Büroräumen eine neue Lieferung mit
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