Brennende Sehnsucht
tun sollen. So etwas war noch nie vorgekommen, schon gar nicht auf dieser Ebene. Sie war ein ungebildetes Ding, das froh sein konnte, wenn sie Arbeit in einer der Fabriken fand, und kein Mitglied der seit Generationen bestehenden höchsten Dienstbotenschicht Englands.
Da er bereits so viele ungeschriebene Gesetze gebrochen hatte, zerstörte er gleich noch ein paar, als er seinen Blick über die zierliche Gestalt wandern ließ, die da vor der Treppe kniete. Ihr Aussehen, ihre Stimme – er konnte nicht leugnen, dass er furchtbar weiche Knie bekam, wenn er nur an sie dachte.
Ihr herrliches Haar steckte zum größten Teil unter ihrem züchtigen Häubchen, und die Uniform von Brook House war zweifellos nicht aufreizend, doch selbst die konnte ihre Anmut nicht verbergen. Wie ihre kastanienfarbenen Wimpern auf ihren feinen, blassen Wangen lagen und ihr Körper auf ihr eifriges Putzen reagierte...
Ihr Blick fiel auf ihn, sie erstarrte und schaute überrascht zu ihm auf. Fortescue legte die Hände auf den Rücken und
ballte sie zu Fäusten, er hoffte, dass sein Blick nichts von seiner erotischen Faszination verriet.
Nach einem Augenblick hob sie ihre feinen Augenbrauen und schaute ihn fragend an. »Mr Fortescue, Sir?« Er machte sie nervös. Auch sie war sich seiner sehr bewusst, wenn auch nur als Oberhaupt der Dienerschaft, als der Mann, der ihre Zukunft in der Hand hielt.
Glücklicherweise machte sie sich gut, auch ohne Ausbildung. Sie würde nicht lange bleiben – aber nicht, weil sie mit der Arbeit nicht zurechtkam. Bereits jetzt konnte er sehen, wie ihre Heimat die Finger nach ihr ausstreckte, wie sie an ihr Land gebunden war wie durch die Fäden eines Traums. Sie war hier, um zu arbeiten, um ihrer Familie zu helfen, aber sie würde nicht bleiben.
Nicht, wenn er nicht etwas tat, was ein Gehen unmöglich machte.
Nur noch einen Augenblick, dann würde er sich räuspern. Nur noch einen Augenblick, dann wäre er in der Lage zu sprechen, ohne wie ein liebeshungriger Schuljunge zu stottern. Endlich fügte sich sein Körper seinem Willen. »Guten Morgen, Patricia.«
Ihr Blick schnellte zum vorderen Fenster der Eingangshalle, dann wieder zu ihm zurück. »Guten Tag, Sir.«
Tag. Natürlich. Er schaute sie weiterhin mit steinerner Miene an, konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, weshalb er sie hatte sprechen wollen. Ihr Blick wechselte von neugierig zu besorgt. Sie fürchtete, mit ihrer sanften Berichtigung zu vorlaut gewesen zu sein. Das konnte er sehen.
O Gott! Wie schön sie war!
Und so jung. Und so sehr seine direkte Untergebene. Er war ihr Vorgesetzter. Er hatte kein Techtelmechtel mit einem Dienstmädchen. Sein Leben bestand darin, dem Marquis
zu dienen. Er war so dicht dran, der Höchste seiner Klasse zu sein, er war auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er war besser als das.
Zofe. Genau.
Er räusperte sich wieder und war sich bewusst, dass er sich anhörte wie ein bornierter Siebzigjähriger. »Seine Lordschaft hat offiziell seine Verlobung mit Miss Millbury bekannt gegeben.«
Sie lächelte und verwandelte sich dabei von einer Sekunde auf die andere von »schön« in »atemberaubend«. Seine Brust verengte sich. Oh, es hatte ihn erwischt, ja. Zwanzig Jahre lang hatte er ohne einen Makel seinen Dienst versehen, hatte niemals einem Dienstmädchen auch nur den Hintern getätschelt, und jetzt wollte er nichts anderes tun, als dieses Mädchen in den nächsten Wäscheschrank zerren und...
»Das sind gute Nachrichten, Sir. Es ist nicht gut für einen Mann, zu lange allein zu sein.«
»Was?« Er verschluckte sich. Sie redete über den Marquis. »Äh... ja. Die Hochzeit wird bald stattfinden.« Schockierend bald, aber er war nicht in der Position, darüber zu urteilen. »Miss Millbury und ihre Familie werden heute noch in Brook House einziehen, um mit den Vorbereitungen zu beginnen.«
Ihr Lächeln wurde breiter. »So viele feine Damen werden das Haus sicherlich zum Leuchten bringen, nicht wahr, Sir?«
»Fürwahr.« Er war bereits erblindet. Verbissen presste er seine Finger noch fester über seine bereits schwitzenden Handteller. »Wie sich herausgestellt hat, verfügt Miss Millbury derzeit über keine eigene Zofe. Ich dachte dabei an dich.«
Ihr Lächeln erstarb. Überrascht, nein, schockiert starrte sie ihn an. »An mich, Sir?« Sie blinzelte ihn ungläubig an. »M...mich?«
Der gesamte Haushalt würde sich über diese ungewöhnliche und überraschende Ernennung das Maul zerreißen. Vielleicht
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