Brennende Sehnsucht
erstaunter Blick zu Calders Gesicht wanderte. Ihr Ausdruck war unbezahlbar. Ist das sein Ernst?
Rafe lachte scharf. »Das ist sein völliger Ernst, Miss Millbury.«
Phoebe schaute ihm direkt in die Augen. Etwas schoss durch seinen Körper, etwas Süßes, Heißes. Endlich.
Er verschloss sich diesem Gefühl und verneigte sich steif. »Ihr seht heute Abend mit jedem Zoll wie die zukünftige Marquise aus, Miss Millbury. Hat mein Bruder Euer Kleid ausgewählt?«
Vielleicht hatte sie gezuckt, aber er konnte es nicht mit Gewissheit sagen. Dann wich jeglicher Ausdruck aus ihren Augen, und sie erwiderte seine Verneigung mit einem sehr wohlerzogenen Knicks. »Ich fühle mich geehrt, dass Ihr das denkt, Mylord. Aber es wurde auf Empfehlung meines Schneiders ausgewählt. Warum fragt Ihr?«
Sie war wieder so leblos wie Stein – makellos geschliffen und glänzend, aber ohne eigenes Licht. Er musste letzte
Nacht auf dem Ball doch betrunkener gewesen sein, als er geglaubt hatte.
Dann richtete sie sich aus ihrem perfekten Knicks auf und hob den Blick.
Rafe hatte einmal Elektrizität gefühlt, bei einer wissenschaftlichen Demonstration. Er hatte sich als Einziger bereit erklärt, die Spitze des Drahtes anzufassen, als der Mann sie alle bedrängt hatte, diese erstaunliche neue Kraft zu spüren. Jenes Kitzeln überraschender Energie war nichts im Vergleich zu diesem heißen Blitz prickelnder Besitzgier, der ihn durchfuhr, als er die unterdrückte Sehnsucht in ihren Augen sah.
Sie gehört mir.
Seine Frau – am Arm seines Bruders. Seine Frau – die bald im Haus seines Bruders, im Bett seines Bruders läge.
Dann wandte sie den Blick ab, und der Zauber war gebrochen.
Glänzendes Gold fing Rafes Blick ein. Er hing sich an alles, was ihn an etwas anderes als sie denken lassen würde. Er beugte sich vor, um die Krawattennadel seines Bruders zu begutachten. »Der Minotaurus?« Er richtete sich auf und zog eine Augenbraue fragend hoch.
Calder tätschelte sein Halstuch. »Ein Geschenk meiner Zukünftigen«, sagte er blasiert.
Eine bellende Lachsalve entfuhr Rafe. Er versuchte es mit einem Hustenanfall zu kaschieren, wobei er Phoebe ansah. Sie hatte den Blick abgewendet, aber ihre Wangen waren gerötet und ihre Lippen geschürzt. Sie versuchte, nicht in sein Lachen einzustimmen.
Calder verstand natürlich überhaupt nicht, was daran witzig sein sollte. »Was ist?«
»Euer Bruder hält es für äußerst passend, glaube ich«, sagte Phoebe sittsam. »Aber ich könnte mich auch täuschen.«
Sie warf Rafe keinen Blick mehr zu, als sie Seite an Seite davonschritten, mit jeder Faser ihres Körpers das neue Traumpaar der oberen Tausend.
Rafe fühlte Verwirrung neben seinem früheren Begehren. Er hatte das sichere Gefühl, dass es zwei vollkommen verschiedene Miss Phoebe Millburys gab, die Seite an Seite hinter diesem jetzt wieder distanzierten Blick aus blauen Augen lebten.
Was natürlich vollkommen verrückt war. Er bildete sich das Aufflackern von Begehren in ihren Augen nur ein. Sie war nichts anderes als ein hübsches Mädchen, so wie es hunderte andere gab. Wenn Calder sie wollte, sollte er sie haben.
Warum hatte dieser Gedanke nicht die abschließende Qualität, die er haben sollte? Vielleicht weil er ihn bereits hundert Mal an diesem Tag gedacht hatte und er ihm trotzdem immer noch nicht richtig vorkam.
Er war immer noch groß. Er war immer noch erschreckend schön. Er war immer noch ein klein wenig verloren trotz seines strahlenden Äußeren.
Er war der falsche Mann. Phoebe wandte Marbrook den Rücken zu, fest entschlossen, Brookhaven die Chance zu geben, die sie ihm insgeheim versprochen hatte. »Euch ist Effizienz sehr wichtig, nicht wahr, Mylord?«
»In der Tat. Als ich dreizehn Jahre alt war, versicherte sich mein Vater, dass ich verstand, dass ich einmal nicht nur für ein, sondern für zwei große Güter die Verantwortung übernehmen würde. Er sagte: ›Du wirst immer an zwei Orten gleichzeitig sein müssen, Junge.‹«
»Ein erschreckender Gedanke!« Und eine schwere Last, um sie auf die schmalen Schultern eines Dreizehnjährigen zu legen.
»Gewiss. Um mich auf diesen Tag vorzubereiten, fing ich an, mich für Effizienz zu interessieren. Ich begeisterte mich für die neuen Praktiken, die in einigen der moderneren Fabriken angewandt wurden. Ich kaufte meine erste Fabrik, als ich einundzwanzig war. Seither habe ich eine ganze Reihe erworben, alle sind sie inzwischen produktiver als zu dem Zeitpunkt, als ich sie
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