Brennende Sehnsucht
rahmten das große, bodentiefe Fenster, das zum Garten hinausführte. Zierliche gedrechselte Möbelstücke aus edlem Ebenholz schienen auf dem luxuriösen blauen Teppich zu schweben wie Vergnügungsschiffe auf dem Meer.
Sie wollte hineingehen, wollte an dem herrlichen Sekretär Platz nehmen, der offensichtlich für Ihre Ladyschaft gedacht war, der ideale Ort, um Menüfolgen zu planen und die Haushaltsangelegenheiten zu ordnen. Sie wollte mit den Fingerspitzen den geschwungenen Kaminsims aus traumhaftem, roséfarbenem Marmor entlangfahren, sie wollte sich auf
den mit elfenbeinfarbenem Samt bezogenen Ottomanen sinken lassen und ihren Nachmittag verträumen.
Wo Phoebe ihre Nachmittage verträumen würde.
Deirdre verschloss die Tür zu diesen Träumen, zog sie mit einem entschlossenen Knall ins Schloss. Überall diese verdammte Phoebe.
In Brook House versammelten sich die Gäste zum Abendessen.
Phoebe versuchte, nicht vor Nervosität zu zucken, während sie darauf wartete, den anderen zu begegnen. Sie wusste, dass sie nie in ihrem Leben besser ausgesehen hatte.
Das Kleid von Lementeur war ein Wunder aus Seide in einem rauchigen Himmelblau, die perfekte Illusion eleganter Schlichtheit, dabei war es alles andere als das. Die einzige Verzierung war ein Samtband in einem dunkleren Blau direkt unterhalb ihrer Brust, und doch war der Gesamteindruck der von erlesenem Reichtum. Ihre Taille war noch nie so winzig erschienen, und ihr Busen hatte noch nie so weit oben gesessen. Sie zog es vor, nicht an sich herabzuschauen, auch wenn Sophie ihr versichert hatte, dass der Ausschnitt nicht tiefer war, als sie ihn bereits bei vielen ehrbaren Damen gesehen hatten.
»Nur deine Figur ist ungewöhnlich«, hatte Sophie voller Bewunderung und ohne die Spur von Neid gesagt. »Brookhaven wird es die Sprache verschlagen.«
Brookhaven hatte es tatsächlich die Sprache verschlagen, aber nicht vor Bewunderung. Seine Stirn legte sich in leichte Falten, als er sie erblickte, als wäre sie ganz und gar nicht das, was er sich vorgestellt hatte. Er war ebenso wenig von ihrem Geschenk hingerissen gewesen, auch wenn er ihr pflichtschuldigst dafür gedankt und es sich ans Halstuch geheftet hatte.
Dann war es so weit.
Marbrook war da, auf der anderen Seite des Zimmers, als Phoebe an Brookhavens Arm eintrat. Ihr Blick fiel direkt auf ihn, als würde er von ihm angezogen. Er schaute kurz auf, dann wandte er sofort den Blick ab. Phoebe drückte den Rücken durch und hob das Kinn. Der Mann schuldete ihr nichts, nicht einmal eine Erklärung. Sie hatte einmal einen Abend mit ihm verbracht, doch das war ohne Bedeutung.
Die Lage war so schon unangenehm genug, ohne dass sie ständig an einen vergeudeten Abend dachte.
Ich wünschte, ich hätte ihn richtig geküsst. Ich wünschte, ich hätte ihn ohne sein Hemd gesehen. Ich wünschte, ich...
Er schaute sie immer noch nicht an, sondern starrte mit leerem Blick quer durch den Raum. Nun, zwei konnten dieses Spiel so gut spielen wie einer allein. Phoebe wandte ihre Aufmerksamkeit den anderen Gästen zu, mit dem festen Vorsatz, den Vikar und Brookhaven mit Stolz auf die zukünftige Marquise von Brookhaven zu erfüllen. Sie lächelte, sie knickste mit genau dem richtigen Maß an Gefühl für ihren neuen Status, sie unterhielt sich nett und ohne eine eigene Meinung zu äußern, genau wie Tessa es ihr beigebracht hatte. Sie war in jeder Hinsicht perfekt.
Sie konnte sich selbst kaum ausstehen.
Wenn ich mir begegnen würde, dann würde ich mich nie avieder treffen wollen.
Vielleicht war das Unsinn, aber wenigstens stand es ihr frei, innerhalb der Grenzen ihrer Gedanken unsinnig zu sein.
Wenn diese Gedanken sich nur nicht ständig mit Lord Rafe Marbrook beschäftigten, der sie an diesem Abend kein einziges Mal mehr angesehen hatte.
Stattdessen stand er mit verschränkten Armen am Kaminsims und stierte ohne ersichtlichen Grund finster vor sich hin. Die anderen Gäste mieden ihn, selbst Brookhaven,
der ihm hin und wieder einen ungeschminkt verwirrten Blick zuwarf.
Calder hingegen schien an diesem Abend ungewöhnlich aufgeschlossen. Er lächelte nicht wirklich, aber hin und wieder entspannte sich die eiserne Härte seines Kiefers, und ein oder zwei Mal verlor er sogar ein überflüssiges Wort.
Phoebe beobachtete beide, diese Brüder, von denen sie einem die Ehe versprochen und den anderen an ihre Träume verloren hatte. Sie waren beide attraktiv, erstaunlich attraktiv sogar, beide von hoher Geburt, beide in
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