Brennender Stahl (von Hassel)
auf uns zu!«
Der Alte, der bereits mit einem Bein auf der Leiter stand, war in Sekundenbruchteilen im Funkschapp: »Kriegsschiffe?«
»Drei! Genau in Null-Null-Null, Fahrt ungefähr achtzehn Knoten. Zwei Dieselantriebe und eine Turbine! Sehr dicht beieinander, hört sich an, wie eine Formation.«
Noch deutlicher ging es nicht! Er wandte sich um. »LI, hoch! Wir haben etwa eine Stunde Zeit!« Er sah den verletzten Leutnant an. »Sie werden zusammen mit dem IWO entscheiden müssen. Wenn es zu eng wird, setzen Sie sich ab und ich blase den Tanker mit einem Torpedo in die Luft bevor wir uns absetzen!«
Zischend schoss Luft in die Tauchzellen und das Boot bewegte sich beinahe ruckartig aufwärts. Von Hassel stieg die Leiter empor und wartete. Er musste nicht lange warten. »Turmluk ist frei!«
Schnell kurbelte er das Handrad auf und klappte den Deckel auf. Wie immer zerrte der entweichende Unterdruck an seiner Kleidung und ein Schwall Wasser begrüßte ihn. Noch während er auf den Turm kletterte, sprangen bereits die Diesel an.
Oberleutnant Hentrich winkte mit seinem nicht mehr ganz weißen Unterhemd. Aber offenbar verstanden die Norweger, was gemeint war. Eine metallische Stimme, verstärkt durch eine Flüstertüte, dröhnte über das Deck: »Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden!«
Der norwegische Kapitän schien kurz nachzudenken, dann antwortete er. »Kommen Sie näher. Sie alleine und ohne Waffe!«
Hentrich richtete sich auf, das Unterhemd deutlich sichtbar in der Hand. Sein Uniformhemd war immer noch nicht richtig zugeknöpft. Irgendwie kam er sich ziemlich einsam und gleichzeitig ziemlich dämlich vor. Wenn die Norweger jetzt schössen, dann würde er mit einem schmutzigen Unterhemd winkend sterben. Was für ein blöder Gedanke!
»Das ist nahe genug!«
Hentrich blieb stehen: »Unser Boot ist in der Nähe!«
»Und?«
Er seufzte leise, bevor er mit lauter Stimme antwortete: »Wenn Sie nicht aufgeben, ist mein Kommandant gezwungen, auf Ihr Schiff schießen zu lassen.«
Dreißig Meilen sind keine große Entfernung. Der britische Zerstörer Warlock, mit dem die Funker des Tankers Kontakt hielten, würde nur etwa eine Stunde brauchen um sie zu überbrücken. Der norwegische Kapitän wusste das. Er wollte sein Schiff nicht verlieren. Norwegen war neutral, auch wenn viele Sympathien auf Seiten der Engländer lagen. Nur er fuhr in englischem Auftrag. Die Deutschen würden sein Schiff also versenken, so oder so. Und sie würden dazu keine Stunde benötigen. Der Engländer hatte gut reden. Immer wieder empfahl der britische Kommandant per Funk, Zeit zu gewinnen. Eine Stunde nur, eine verdammte Stunde. Aber in einer Stunde konnte ein Schiff versenkt werden und eine Besatzung sterben. Auch das wusste der norwegische Kapitän, wie so vieles andere. Zum Beispiel, dass sie auf über zwanzigtausend Tonnen Dieselöl standen, die er nach England transportieren sollte. Wenn da ein Torpedo einschlug, brauchte sich niemand mehr Sorgen zu machen. Und es gab noch etwas, das der Norweger wusste: Die Deutschen waren total plemplem. Total durchgedreht. Die englischen Radiosender die sie hier nahe der Küste empfingen brachten jeden Tag neue Geschichten darüber. Der Norweger war sich also völlig sicher, dass der deutsche Kommandant sein Schiff torpedieren würde, lange bevor die Tommies hier sein konnten. Der verrückte Nazi würde doch sicher keine Rücksicht darauf nehmen, dass ein paar von seinen Leuten mit in die Luft flogen!
Oberleutnant Hentrich versuchte es noch einmal. Es war für keinen Seemann eine einfache Entscheidung, sein Schiff aufzugeben. Der Kapitän würde mit sich zu ringen haben. Aber er war in Problemen, sonst wären die Maschinen nicht gestoppt. Vielleicht ein Schaden, vielleicht waren Braunert und Lauer auch bis in den Maschinenraum gekommen, schließlich wusste er seit Stunden schon nicht mehr, wo die beiden abgeblieben waren.
Hentrich wusste nichts von dem Zerstörer, er wusste nicht einmal, wo sein U-Boot war. Nur, dass der Alte irgendwann aufkreuzen würde, das wusste er! Und dass sie das Öl aus dem Tanker brauchten. Nicht das Rohöl, dass er in den großen Ladungstanks vermutete, sondern den Dieselbrennstoff, den der Tanker für seine eigenen Maschinen an Bord hatte.
»Sie liegen gestoppt, niemand kann Ihnen zur Hilfe kommen, also, warum setzen Sie das Leben Ihrer Männer weiter aufs Spiel?« Hentrich spähte zur Brücke empor. Hinter sich hörte er, wie seine Männer sich langsam
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