Brennendes Land
Eierköpfe zu knacken. Und hier sitze ich – Kevin Hamilton, zweiunddreißig Jahre alt, wieder mal auf der Flucht. Wenn ich bloß, sagen wir, zwanzig stämmige Iren aus dem Süden hätte, bewaffnet mit Billardstöcken und Tischbeinen. Im ganzen Labor gibt es bloß zwölf lausige Cops. Seit zehn Jahren haben sie nichts weiter getan, als Telefonleitungen anzuzapfen und Schmiergelder einzusacken. Wir könnten diese Hurensöhne mit Leichtigkeit vermöbeln.«
»Das sind ja ganz neue Töne, Kevin«, bemerkte Oscar.
»Mann, ich hab schließlich nicht gewusst, dass man einfach so mit dem Präsidenten reden kann! Ich bin ein Prolo und ein Hacker und ein Telefonfreak, wissen Sie. Das gebe ich gerne zu. Aber in meinem Alter ist man es irgendwann leid, die Leute ständig zu überlisten! Man hat einfach keine Lust mehr, sich ständig zu verstecken. Wie komme ich denn dazu, in den Ritzen zwischen den Bodenbrettern herumzupulen? Ich sag Ihnen was, Dr. Penninger – wenn Sie mir die Verantwortung für Ihre Sicherheit übertragen, würde sich einiges ändern.«
»Heißt das, Sie möchten Sicherheitschef des Laboratoriums werden, Mr. Hamilton?«
»Nein, natürlich nicht, aber…« Kevin stockte überrascht. »Doch, ja ! Ja, klar ! Ich bin der Richtige für den verdammten Job! Geben Sie mir die Bullenmarke. Geben Sie mir das verdammte Polizeibudget. Geben Sie die ganzen Abzeichen und Gummiknüppel mir. Scheiße, ja, ich kann alles tun, was Sie wollen. Machen Sie mich zu einer bundesstaatlichen Behörde.«
»Tja«, sagte sie. »Ich leite das Labor, und ich liege hier mit gefesselten Händen auf dem Rücksitz. Ich wüsste nicht, wer außer Ihnen dafür infrage käme, mir zu helfen.«
»Ich würde es schaffen, Dr. Penninger, ich schwör’s. Wenn wir nicht nur zu dritt wären, könnte ich die ganze Anlage einnehmen. Aber wie die Dinge liegen…« Er zuckte die Achseln. »Also, ich schlage vor, wir fahren einfach in der Gegend rum und machen ein paar Anrufe.«
»Ich fahre niemals ziellos herum«, erwiderte Oscar.
»Dann machen Sie einen Vorschlag, Mann. Wo sollen wir hin?«
»Wo befindet sich das nächstgelegene Camp der Moderatoren?«
9
Der Canton Market war in Texas seit 1850 Tradition. An jedem Wochenende vor dem ersten Montag des Monats versammelten sich Kaufleute, Sammler, Flohmarkthändler und Schaulustige aus einem Umkreis von mehreren hundert Meilen, um drei Tage lang um allen möglichen Krimskrams zu feilschen. Diese alte, tief verwurzelte Tradition war mittlerweile natürlich vollständig von den Prolonomaden vereinnahmt.
Oscar, Greta und Kevin fanden sich als Teil einer Autoschlange wieder, die sich der Behelfssiedlung näherte. In Kevins gemieteter Schrottkarre fügten sie sich unauffällig in den Verkehr ein: Tankwagen, Sattelschlepper, Zigeunerwohnwagen, winterlich vermummte Tramper am Straßenrand.
Oscar war zu Greta auf den Rücksitz geklettert, damit sie gegenseitig ihre Verletzungen versorgen konnten. Gretas Hände waren noch immer gefesselt, und Oscars Kopfwunde war gerade so eben verschorft. Sie saßen nebeneinander, während Kevin ein am Straßenrand erstandenes Sandwich mampfte und die beschlagene Windschutzscheibe freiwischte.
Gegenseitig ihre Verletzungen zu versorgen, war ein langwieriger, intimer Vorgang. Er umfasste das zärtliche Aufknöpfen von Hemden, vor jähem Schmerz angehaltenen Atem, mitfühlendes Zungeschnalzen und das extrasanfte Abtupfen mit antiseptischen Salben. Sie hatten beide so viel eingesteckt, dass sie unter normalen Umstände medizinische Versorgung und ein paar Tage Ruhe gebraucht hätten.
Vom Betäubungsgas hatten sie Schwindel und Kopfschmerzen zurückbehalten, die sich mit Schläfen- und Stirnmassage und behutsamen Küssen nur teilweise kurieren ließen.
Greta nahm ihre Schmerzen mit stoischer Gelassenheit hin. Sie nötigte ihm ihre persönliche Katerkur auf: sechs Aspirin, vier Acetaminophen, drei gehäufte Löffel Zucker und vierzig Mikrogramm rezeptfreie Lysergsäure. Sie ließ sich nicht davon abbringen, dass diese Mischung sie wieder ›aufpeppen‹ würde.
Gegen Abend bogen sie vom verstopften Highway ab und rasten über einen obskuren Feldweg Richtung Osten. Nach einer Weile hielten sie an und warteten. Binnen Stundenfrist stieß Yosh Pelicanos zu ihnen, der einen Mietwagen mit Satellitennavigation fuhr.
Pelicanos hatte an alles gedacht. Er hatte Laptops, Geldkarten, einen Verbandskasten, zwei Koffer voller Kleider, Spraypistolen aus Plastik, neue Telefone und
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