Brennendes Schicksal (German Edition)
und verdüsterte sich, als er die, die seine Augen gesucht hatten, nicht finden konnte.
»Ist die Solistin heute Abend nicht Euer Gast?«, fragte er und fügte gleich noch ein Lob für die gelungene Aufführung hinzu.
»Sie wird jeden Augenblick erwartet«, erwiderte der Visconte und würdigte seine Frau, die hämisch das Gesicht verzog, keines Blickes.
»Nun, gestattet, Visconte, dass ich eine Bitte an Euch richte«, fuhr der Berater aus Florenz fort.
»Ich werde Euch, Baron del Gerez, jede Bitte erfüllen, so sie in meiner Macht steht.«
»Oh, es ist nur ein kleiner Wunsch, den ich vorzubringen habe: Gewährt mir doch die Freude, Laura heute Abend als Tischdame zu haben.«
»Ähem ...«, machte der Visconte und war drauf und dran, eben gerade diesem Wunsch nicht zu entsprechen, als Beatrice das Gespräch an sich riss: »Mit dem größten Vergnügen, Baron del Gerez. Es wird meinem Mann und mir eine ganz besondere Freude sein, diese Sängerin an Eure rechte Seite zu setzen.«
Sie lächelte boshaft und legte eine trockene, faltige Hand auf den Wamsärmel ihres Gatten. »Nicht wahr, mein Lieber?«
Angelo da Matranga antwortete nicht, zwang sich aber zu einem Lächeln und nickte.
Im selben Moment verkündete ein Diener, dass Laura eingetroffen sei.
Schon kam sie die große Freitreppe herauf gehastet. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Frisur befand sich in Auflösung, der Busen hob und senkte sich, und auf ihrer Oberlippe standen kleine Schweißperlen, die im Kerzenlicht wie winzige Juwelen schimmerten.
Sie war noch so außer Atem, dass sie die Entschuldigung für ihre Verspätung nur stockend hervorbrachte: »Visconte, Viscontessa, ich ... huh ... bedanke mich ... ha... für die Einladung und ...und entschuldige mich für die Verspätung.«
»Bedankt Euch bei meinem Mann; ich habe Euch nicht eingeladen«, schnappte Beatrice, lächelte maliziös und fuhr fort: »Aber ich bin sicher, meinem Mann habt Ihr Euch schon entsprechend erkenntlich gezeigt.«
Laura wurde flammendrot. Sie senkte beschämt den Blick und wirkte plötzlich so hilflos wie ein Kind.
Alvaro del Gerez erkannte eine Chance, wenn sie sich bot, auf Anhieb. Er reichte Laura seinen Arm und sagte äußerst höflich: »Darf ich Euch zu Eurem Platz begleiten? Ich habe die große Ehre, Euer Tischherr zu sein.«
Laura blickte auf, sah zu Angelo da Matranga, der eine verkniffene Miene zur Schau trug, ihr aber leicht zunickte. »Sehr gern, Baron«, erwiderte Laura höflich, nahm den gebotenen Arm und schritt mit der Anmut einer Venus durch den Saal.
Beatrice sah ihnen nach und sagte mit unüberhörbarem Spott: »Vögel, die am Morgen singen, holt abends die Katze. Oder sollte ich diesem Fall besser ›Kater‹ sagen?«
Angelo da Matranga stöhnte. Er hatte seine Ehefrau von Herzen satt und vermutete überdies, dass es ihr mit ihm ähnlich ging. Sie waren nun seit achtzehn Jahren verheiratet und hatten einen Sohn, doch geliebt hatten sie beide sich nie. Beatrice war die Tochter eines reichen Comte, dessen Gut an die Grenzen der Ländereien der da Matrangas grenzten. Dass Beatrice und Angelo heiraten sollten, war so vorherbestimmt gewesen wie die Aufeinanderfolge der vier Jahreszeiten. Doch nun, so fanden wohl beide, hatten sie der Ehe Genüge getan. Während Beatrice sich mit frommen Werken und dem Ausspionieren der Nachbarschaft den Tag vertrieb, tat Angelo da Matranga alles, um Siena zur herrschenden Stadt in der Toskana zu machen. Und er war nicht der erste Bürgermeister, der dies versuchte. Seit Jahren tobte zwischen Florenz und Siena ein unerbittlicher Kampf um die Vorherrschaft in der Mitte des italienischen Reiches. Cosimo de’ Medici war ein harter Gegner, den Angelo gleichwohl sehr hoch schätzte. Denn auch der Visconte war ein Schöngeist, liebte die Musik, den Tanz, die Lyrik und die Kunst im Allgemeinen. Auch er versuchte, Philosophen an seinen Hof zu holen, sich mit Dichtern zu schmücken, Malern und Bildhauern als finanzielle Muse zu dienen. Doch der Wunsch, einmal den reichen Cosimo de’ Medici zu übertrumpfen, spielte dabei stets eine wichtige Rolle.
Deshalb hatte Angelo da Matranga auch den Hofchor gegründet und die Passionsspiele ins Leben gerufen. Der heutige Erfolg der Aufführung und Alvaro del Gerez’ Reaktionen zeigten ihm, dass er seinem Ziel ein ganzes Stück näher gekommen war. Dies alles hatte er Laura zu verdanken, ihr vor all den anderen.
Er kehrte in die Gegenwart zurück und sah sich um. Die Gäste waren nun
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