Brennendes Schicksal (German Edition)
Laura Ausschau, die inzwischen in die Arme des florentinischen Barons weitergewandert war.
Der langsame Reigen war ausgetanzt und hatte die Gästeschar in Stimmung für einen schnelleren Tanz gebracht. Der Konzertmeister wählte nun eine Pavane, die aus mehreren schnellen Schrittkombinationen bestand. Die Damen ließen sich von den Herren an den Händen fassen und tänzelten leichtfüßig und schwungvoll durch den Saal.
Angelo, ein wenig außer Atem, schielte nach seiner Frau, deren Gesicht vor Missmut wie ein plissiertes Stück Stoff aussah. Er seufzte, denn er wurde sich seiner ehelichen Pflichten bewusst. Muss ich sie jetzt noch einmal zum Tanz holen, damit es kein Gerede gibt?, überlegte er. Oder warte ich, bis die gehüpften Tänze kommen? Es ist wohl besser, ich warte ab, dann ist sie schneller müde und wird sich unter einem Vorwand zurückziehen, sodass auch ich einmal etwas länger mit Laura tanzen kann.
Diese amüsierte sich scheinbar prächtig.
»Ich habe noch niemals eine so wundervolle Stimme gehört«, schmeichelte Alvaro del Gerez. »Und wenn sie dazu noch aus einem so bezaubernden Mund kommt...«
»Ihr macht mich verlegen, Baron«, erwiderte Laura bescheiden. »Nicht mir gebührt der Ruhm, sondern meiner Lehrerin und Erzieherin Circe da Volterra.«
»Zeigt sie mir, damit ich ihr danken kann.«
»Oh, sie ist nicht auf dem Fest. Sie liegt zu Hause und hat vor Kopfweh einen essigsauren Lappen auf der Stirn.«
»Wie schade! Ich habe noch nie von Circe da Volterra gehört. Sie muss eine außergewöhnliche Frau sein, da sie offensichtlich fähig ist, Wunder zu vollbringen.«
»Das ist sie in der Tat, Baron. Sie unterrichtet mich nicht nur im Gesang und in der Notenkunde, nein, sie gibt mir überdies Stunden in Grammatik, Poetik, Philosophie und Kunst.«
Alvaro del Gerez lächelte. Das waren genau die Dinge, die eine Kurtisane wissen musste. Hatte Laura bereits einen Gönner gefunden? Das wäre jammerschade, denn er spielte mit dem Gedanken, sie nach Florenz zu holen. Dafür war es zwar noch zu früh, doch ein kluger Mann, wie er es war, warf rechtzeitig die Angeln aus.
»Ich sehe«, sagte er deshalb, »dass Ihr Großes vorhabt. Und Eure Lehrerin weiß wohl, Eure Talente ins rechte Licht zu rücken. Nun, sie hat Recht, ich bin sicher, dass Ihr es noch weit bringen werdet.«
»Oh, nein«, winkte Laura ab. »Das ist nicht mein Ziel.«
»So? Welche Pläne habt Ihr denn für Eure Zukunft?«
»Ihr seid sehr neugierig, Baron del Gerez. Aber ich versichere Euch, dass Ihr Euch um mich nicht sorgen müsst.«
Jetzt wusste Alvaro del Gerez nur zu gut, woran er war. Als er dann noch beobachtete, welch zärtliche Blicke Laura dem Herrscher der Republik Siena und Bürgermeister der Stadt zuwarf, da wusste er auch, wer Lauras Gönner war.
Auch nicht schlecht, dachte er.
Wer glaubte, er sei lediglich nach Siena – dieses im Vergleich zu Florenz doch recht öde Nest – gekommen, um sich die Passionsspiele anzuschauen, der täuschte sich. Es ging um mehr, ging auch dieses Mal um die Vorherrschaft in der Toskana. Cosimo de’ Medici hatte seinen engsten Berater beauftragt, die Lage zu sichten. Ja, der Herrscher von Florenz trug sich sogar mit dem Gedanken, Soldaten gegen Siena aufmarschieren zu lassen, um die Stadt zu unterwerfen.
Vielleicht, so dachte Alvaro del Gerez, kann mir Laura dabei eine Hilfe sein. Noch besser aber wäre es, käme ich an ihre Lehrerin heran. Diese Frau hatte Einfluss auf Laura, und Laura wiederum konnte den Visconte wie eine Marionette an ihren Fäden tanzen lassen.
»Erzählt mir mehr von Eurer Lehrerin. Woher kommt sie? Was hat sie getan, bevor ihr Eure Erziehung anvertraut wurde?«
Laura zuckte mit den Achseln. »Sie war eine Kurtisane, eine berühmte und hoch geachtete Kurtisane sogar. Leider weiß ich nicht, aus welcher Stadt sie kommt. Geboren ist sie in Volterra, doch sie schweigt über alle Dinge, die ihre Vergangenheit betreffen. Etwas Schreckliches muss ihr widerfahren sein, das ihr Schweigen erklärt. Sie ist erst achtundzwanzig Jahre alt, aber ihr Haar ist von grauen Strähnen durchsetzt. Von Männern will sie nichts mehr wissen.«
Alvaro del Gerez horchte auf. »Wie lange ist sie schon in Siena?«
Wieder zuckte Laura mit den Achseln. »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht seit ein paar Monaten. Niemand kannte sie hier.«
»Hat sie Kinder?«
Laura schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Auch darüber spricht sie nicht. Manchmal aber, wenn die kleine Tochter der
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