Brennendes Schicksal (German Edition)
traktierte ihre Tischnachbarn dabei mit frommen Sprüchen und energischen Reden gegen die sieben Todsünden, die diese neue Sängerin ihrer Meinung nach samt und sonders auslebte.
Orazio dagegen, ein schmaler Bursche, der an der blässlichen Gesichtsfarbe eines Stubenhockers litt, wurde von Angelo einfach am Arm gepackt und zwischen zwei Chorsängerinnen gesetzt.
»Na, meine Schönen«, fragte er leutselig. »Wie gefällt Euch dieser junge Mann? Überlegt Euch die Antwort gut, Ihr Nachtigallen, denn er ist mein Sohn.«
»Oh, er ist hübsch wie ein griechischer Gott«, beeilte sich die eine zu sagen. Die andere aber meinte: »Mir scheint, er ähnelt seiner Mutter.«
Hierauf lachte Angelo herzhaft. »Ihr habt Recht, Ihr Süßen. Ihr habt ja so Recht. Die feuchten Kirchenmauern – ich fürchte es wirklich – haben dem Jungen die Lebensfreude und Jugend geraubt. Er altert vor der Zeit. So wie das Weib, das ihn geboren und seither mit ihrer bigotten Frömmigkeit traktiert hat. Heitert ihn auf, meine Täubchen, ich bitte Euch sehr. Oder seid Ihr etwa selbst im heiligen Stand der Ehe?«
Die eine Sängerin nickte, “während die andere ihre Aufmerksamkeit schon Orazio zugewandt hatte.
»Dann lass uns unser Elend betrinken«, antwortete Angelo der verheirateten Frau und goss ihr aus einem Krug kräftig vom gewürzten Wein nach.
Er goss den Trank in seine Kehle, schluckte und gab den Musikern das Zeichen, ein neues Stück anzustimmen. Aus der Küche und den Nebenräumen kamen die Dienstboten und räumten in Windeseile die Reste der Tafel weg, um Platz für die Tänzer zu schaffen.
Harfe, Fiedel, Posaune, Flöte, Mohrenpauke, Laute, Schalmei und Schlagwerk waren gestimmt, ein Schemel vors Spinett gestellt. Ein Mann, der Konzertmeister nämlich, nahm darauf Platz und gab den Takt vor. Schon begannen die Musiker zu spielen.
Angelo da Matranga wusste, was jetzt seine Pflicht gewesen wäre. Der Ball musste von ihm eröffnet werden. Die Blicke aller Gäste ruhten auf ihm. Der Sitte entsprach es, dass er Laura aufforderte, doch gleichzeitig wusste der Visconte, dass er damit Beatrice ungemein vor den Kopf stoßen würde und ihre Rache ihm sicher wäre. Er hatte keine Angst vor seiner Frau, nein, aber er fürchtete um Lauras Frieden. Plötzlich hatte er einen Einfall. Er ging zu seinem Sohn Orazio, der inzwischen der Sängerin entflohen war und neben seiner Mutter auf einem Stuhl an der Wand Platz genommen hatte, und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Liebe Gäste«, rief der Visconte in den Saal, und sofort verstummten alle Reden. »Es ist mir eine ganz besondere Ehre, den heutigen Ball zu eröffnen. Doch weil die diesjährige Aufführung eine nahezu ungewöhnliche war, so will ich auch den Ball auf ungewöhnliche Art eröffnen: Mein Sohn Orazio wird mit unserer Laura den ersten Tanz wagen, während es mir eine Ehre sein wird, die Viscontessa Beatrice durch den Eröffhungsreigen zu führen.«
Er trat auf seine Frau zu und reichte ihr lächelnd den Arm, während Orazio mit ungelenken Schritten den Saal durchquerte und zu Laura ging. Wenig später begann der erste Reigen, und die ausgelassene Stimmung erfuhr einen neuen Höhepunkt.
Den Damen hatte die Vorfreude rosige Wangen gemalt, und der Wein hatte sein Übriges getan. Gelächter wogte durch den Raum, die Ersten torkelten bereits leicht, einer stimmte ein Lied an, wurde aber von den Umstehenden am Weitersingen gehindert. Ein Chorsänger schlug seiner weiblichen Kollegin mit der flachen Hand auf den Hintern, dass diese quietschte wie ein Ferkel, Beatrice saß schon wieder am Rande, zog ein empörtes Gesicht und schwenkte mahnend ihren Rosenkranz.
Der Konzertmeister, der in diesem Fall auch der Tanzmeister war, gab den anderen Tänzern das Zeichen, sich dem Reigen anzuschließen.
Die Gäste eilten in die Mitte des Saales und formierten sich unter großem Gelächter zu Paaren. Dann schritten sie gravitätisch im Kreis umher, bewegten sich nach einer doppelten Schrittkombination allesamt nach rechts und nach weiteren zwei Schritten zurück nach links.
Angelo betrachtete glückselig seine kleine Gesellschaft. Er berauschte sich nicht nur am Wein, sondern ebenso am Knistern der Kleider, an den Duftwässern der Damen, an ihrem nackten Fleisch, das großzügig aus den Miedern quoll, und natürlich an der Musik.
Mit den Augen suchte er nach Orazio und nickte zufrieden, als er ihn leuchtenden Auges am Arm einer jungen Sängerin einherschreiten sah. Dann hielt er nach
Weitere Kostenlose Bücher