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Brennendes Schicksal (German Edition)

Brennendes Schicksal (German Edition)

Titel: Brennendes Schicksal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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die Gassenjungen, die zwischen den Beinen der Besucher herumkrochen, aufhörten, nach Beute zu suchen und sich aufrichteten, um zu lauschen.
    Alte Leute hatten die Hände hinter die Ohren gelegt, um keinen Ton zu verpassen, Mütter hielten ihren Kindern die Münder zu, Liebespaare schmiegten sich aneinander, einsamen Frauen stiegen Tränen in die Augen, die Unglücklichen fühlten sich wundersam getröstet, Hässliche fanden sich plötzlich schön, Unversöhnliche reichten dem Feind die Hand, Kranke spürten neue Kraft.
    Laura sang. Selbst die Vögel verstummten, als ihr Lied in den Himmel stieg, hoch und höher bis hinauf zum Chor der Engel, die mit angehaltenem Atem zu lauschen schienen.
    Nein, sie sang nicht. Sie verzauberte die Menschen, glättete Gesichter, malte ein Lächeln auf vorher verkniffene Münder, stob Glanz in erloschene Augen.
    Selbst Beatrice da Matranga vergaß für einen Augenblick, dass sie ihrer Konkurrentin lauschte. Mit leicht geöffneten Lippen und sacht geröteten Wangen schaute sie auf Laura und hörte dieses Lied. Beinahe sah sie wieder aus wie das junge Mädchen, das der Visconte einst geheiratet hatte. Alvaro del Gerez aber starrte mit aufgerissenem Mund und einem ungläubigen Staunen auf die junge Frau. Er saß wie versteinert und bemerkte nicht einmal seinen Diener, der ihm eine Erfrischung reichen wollte.
    Der Bischof hatte den Schenkel der Witwe Baldini fest in der Hand und knetete ihr weiches Fleisch, Damiani Sticci betrachtete seine Geliebte und kam sogar auf den Gedanken, ihr einen Heiratsantrag zu machen.
    Laura sang. Die Zeit blieb stehen, nicht einmal die Wolken am Himmel zogen weiter.
    Doch dann war das Lied zu Ende. Sie öffnete die Augen und sah mit einem leuchtenden Strahlen in die Menge.
    Wieder herrschte ein winziger Augenblick lang Totenstille, dann aber brach der Beifall mit der Heftigkeit eines Sommergewitters los.
    Die Leute klatschten, johlten und schrien aus tausend Kehlen: »Bravo, bravissiomo, da capo!«
    Hüte und Mützen wurden in die Luft geworfen, die Gassenjungen pfiffen auf zwei Fingern, Mägde und Knechte trampelten mit den Füßen und klatschten gleichzeitig in die Hände, der Bischof gab der Witwe Baldini einen knallenden Kuss, selbst Beatrice bewegte zaghaft die Handflächen gegeneinander. Alvaro del Gerez aber war aufgesprungen, seine Hände applaudierten unaufhaltsam. Seine Rufe schallten über die Köpfe seiner Nachbarn hinweg. Er wusste sich vor Begeisterung überhaupt nicht zu fassen, und sein Nachbar hatte seine rechte Mühe, ihn auf seinem Platz zu halten.
    Laura verbeugte sich, lächelte glücklich in die Menge und ging bescheiden zurück an ihren Platz zwischen den anderen Sopranistinnen.
    Doch die Menge war nicht zu beruhigen. Die Akteure, neidlos im Angesicht des überirdischen Gesanges, stimmten nun in den Beifall ein. Jemand schob Laura nach vorn, die Menge wogte hin und her, lachte und klatschte noch lauter, als Laura errötete. Wieder flogen die Mützen in die Luft, wieder ertönten Bravo- und Da-capo-Rufe.
    Laura sah zu Angelo da Matranga, sah die Zufriedenheit, nein, das pure Glück in seinem Blick und wusste, dass sie ihre Sache gut gemacht hatte. Jetzt strahlte auch sie, warf die Arme zur Seite, als wollte sie die ganze Welt umarmen. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, die Freude rieselte wie tausend Ameisen über ihren Körper, und sie verbeugte sich so weit, dass ihr Haar bis auf den Boden reichte und ihre Gestalt in einen Heiligenschein hüllte. Dann hob sie den Kopf und suchte mit den Augen nach ihrer Lehrerin. Alvaro del Gerez hatte sich inzwischen nach vorn zur Bühne geschoben und warf ihr einen kleinen Veilchenstrauß zu. Laura fing ihn auf, dankte ihm mit einem Lächeln und wusste nicht, dass in den Köpfen zweier Frauen in diesem Augenblick neue Gedanken entstanden, die sich um sie drehten.
    Wieder hob Angelo da Matranga den Stock, und als Laura erneut anhob zu singen, da trat Circe vom Fenster zurück, und ein böses Lächeln umspielte ihre Lippen.
    Die restlichen drei Stunden der Aufführung verfolgte sie nicht. Sie lief, unbemerkt von allen, durch die Gassen hinter dem Campo, erreichte auf Umwegen Lauras Haus und wartete, die Hände im Schoß gefaltet, auf den Abend.

Neuntes Kapitel
    Der große Saal im Palazzo des Bürgermeisters erstrahlte im Licht hunderter Kerzen. Die Tafel bog sich unter den köstlichsten Speisen und Getränken, Aufwärter schleppten unzählige Karaffen mit Wein herbei.
    Die Gäste hatten sich bereits

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