Brennendes Schicksal (German Edition)
vollständig versammelt, das Fest konnte beginnen. Doch bevor der Visconte das Zeichen gab, sah er sich noch einmal im Saal seines prachtvollen Hauses um. Abschiedsstimmung überkam ihn, so, als wäre die gute Zeit dieses Hauses nun vorüber. Aber war es nicht auch so? Hatte sein Leben nicht eine grundlegende Änderung erfahren? Seit er Laura kannte, war nichts mehr, wie es einst gewesen war.
Angelo da Matranga seufzte. Er war ein Genießer und hatte sich immer an der Pracht in seinem Hause erfreuen können. Doch auch das war vorbei. Er hatte weder für die seidenen Teppiche aus Calicut, die an den Wänden hingen, noch für den Boden aus rosa Marmor, ja, nicht einmal für den gemalten Fries unterhalb der Decke einen Blick übrig. Angelo da Matranga freute sich nicht an den Statuen junger Griechen, die in jeder der vier Ecken standen, an dem kostbaren Nussbaumholz seiner Möbel oder den silbernen Leuchtern, ja, er freute sich noch nicht einmal an den nackten Schultern der schönen Frauen.
Die Tafel bog sich unter edlem Kristall und Silber. Die Köche des Hauses hatten keine Mühe gescheut, um dem verwöhnten Gaumen ihres Herrschers und seiner Gäste auch heute wieder Genuss zu verschaffen: Es gab Schüsseln mit in Rosenwasser, Zucker und Zimt gekochten Täubchen, Pasteten nach toskanischer Art mit gegrillten Kalbsleberstückchen, Zimt, Ingwer, Pfeffer und Safran, Milchlämmchen im Teigmantel und zum Nachtisch in Schmalz gebackene Krapfen aus Mandeln und Datteln, dazu köstliche kleine Törtchen, die mit Früchten belegt waren, und kräftige Rotweinkuchen mit einer dicken Glasur aus Pinienhonig.
Der Chianti floss in Strömen, und schon bald war die Runde in gelöster Stimmung. Nur Angelo da Matranga schaute noch immer betrübt auf seinen Teller und nagte ein wenig appetitlos an einem Pastetenstückchen. Die Freude über seinen Triumph war restlos verflogen. Er saß – wie es sich gehörte – neben seiner Gattin, die ihm mit ihren hämischen Blicken und übertriebener Fürsorglichkeit auf die Nerven ging. Immer wieder aber sah er zu Laura, die sich neben Alvaro del Gerez bestens zu amüsieren schien. Gerade ließ sie ihr perlendes Gelächter ertönen und blickte so liebreizend, dass Angelo da Matranga zum ersten Mal in seinem Leben einen Anflug von Eifersucht spürte.
Er runzelte die Augenbrauen, doch in diesem Augenblick sah Laura zu ihm, hob die Hand, an deren Ringfinger sein Ring steckte, an den Mund und drückte einen leichten Kuss auf das Geschmeide. ›Ich liebe dich‹, sagte diese Geste.
Er bemerkte, dass sich seine Laune beträchtlich besserte. Sogar sein Appetit kehrte zurück. Er ließ sich ein großes Stück vom Milchlammbraten vorlegen, schnitt etwas davon ab und schob es sich genüsslich in den Mund.
»Woher kommt diese Dirne eigentlich?«, störte Beatrice den Visconte in seinen zärtlichen Gedanken.
»Aus der Maremma. Ihre Eltern betrieben dort ein Wirtshaus. Doch die Schänke ist abgebrannt, Mutter und Vater bei dem Unglück ums Leben gekommen. Seither lebt sie bei ihrer Schwester Gianna, die mit dem Rathausdiener Mimmo verheiratet ist.«
»Eine Schankdirne also, die das Laster bereits mit der Muttermilch eingesogen hat«, stellte Beatrice fest.
»Eigentlich sollte Laura im Dorf bei ihren Eltern bleib en und einen ehrbaren Handwerker oder Bauern zum Manne nehmen, wenn die Zeit dafür gekommen wäre. Doch das Schicksal richtet sich nicht immer nach den Plänen der Menschen«, erklärte der Visconte ungerührt weiter, ohne auf die Bemerkung seiner Gattin einzugehen.
Er betrachtete die Gesichter an der Tafel reihum und winkte dem Kellermeister, dass er ein neues Fass Chianti anstechen und die Krüge füllen solle.
Die Aufwärter und Mundschenke brachten neuen Wein, ein paar Musiker packten ihre Instrumente aus und begannen zu spielen. Angelo da Matranga ließ sich seinen Becher mit gewürztem Wein füllen, stand auf und schlenderte um die Tafel, um jedem Gast ein persönliches Wort zu schenken.
Er war plötzlich von einem solchen Wohlwollen erfüllt, dass er die ganze Welt hätte umarmen können. Er tätschelte einer seiner Sängerinnen liebevoll den Oberarm und riskierte dabei einen Blick in ihr Mieder, dann stieß er mit dem Konzertmeister an. Und auch Orazio, seinen Sohn, von dem er befürchtete, dass er viel zu sehr dem tristen Einfluss seiner Mutter ausgesetzt war, rief er zu sich. Mit zusammengepressten Lippen und grämlichem Blick ließ sich Beatrice den Teller voll laden und
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