Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)
Entwicklungen jemals wieder zusammen baden gehen werden, ist höchst unwahrscheinlich.
4 Das Alte am Ende?
»Wir durchlebten viele Leben während dieser verwirrenden Feldzüge und haben uns selbst dabei nie geschont; doch als wir siegten und die neue Welt dämmerte, da kamen wieder die alten Männer und nahmen unseren Sieg, um ihn der früheren Welt anzupassen, die sie kannten. Die Jugend konnte siegen, aber sie hatte nicht gelernt, den Sieg zu bewahren; und sie war erbärmlich schwach gegenüber dem Alter. Wir dachten, wir hätten für einen neuen Himmel und für eine neue Welt gearbeitet, und sie dankten uns freundlich und machten ihren Frieden.«
Vor bald hundert Jahren ist dieser Text entstanden, geschrieben 1921 als düstere Lebensbilanz eines gebrochenen Mannes. Eine große Revolution hatte er gewollt, zu einer mittleren Revolte hatte es am Ende gerade mal gereicht. T.E. Lawrence hieß er. Als Lawrence von Arabien ist er in die Geschichte des Nahen Ostens und Hollywoods eingegangen. Zweifellos ein Politromantiker und Wüstenfantast, der im Ersten Weltkrieg mit seinen Beduinen kriegern erfolgreich mitgeholfen hat, das Heer der Osmanen aus den arabischen Ländern zu vertreiben. Ein neues Arabien sollte entstehen, ausschließlich beherrscht von den Arabern selbst, also unabhängig von den westlichen Kolonialmächten. Davon träumte der junge britische Offizier, der sich im weißen Burnus wohler fühlte als in der steifen Uniform britischer Offiziere.
Sein Leben hatte er für die Selbstbestimmung der arabischen Stämme eingesetzt, für deren Wunsch, nicht mehr gegängelt zu werden von fremden Herrschern. Weder von den Osmanen noch den Franzosen oder den Engländern. Sie wollten nicht länger nur Spielball ausländischer Interessen sein. Nicht mehr hin- und hergeschoben werden wie Figuren auf einem Schachbrett, keinen fremden Vormund mehr haben, sondern selbst Vormund sein. Das war die neue Welt, die Lawrence 1919 nach der Eroberung von Damaskus aufdämmern gesehen hatte, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick.
Dass es anders kommen musste, ahnte auch Lawrence schon damals, nur gewarnt hatte er seine arabischen Freunde nicht. Die vertrauten seinen Versprechen vom arabischen Reich und glaubten an eine große Zukunft. Hatten sie doch nicht nur von dem einfachen Leutnant Lawrence, sondern auch von Henry MacMahon, dem britischen Hochkommissar von Ägypten, das feste Versprechen, nach der Zerschlagung des Osmanischen Reichs in die Unabhängigkeit entlassen zu werden. Tatsächlich hatte sich aber schon während des Krieges abgezeichnet, dass die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich ihre Ansprüche auf die arabische Welt nicht aufgeben würden. Was zählten da schon ein paar Beduinen, denen man mehr als nur ein Königreich unter Fremdherrschaft versprochen hatte. Was zählten britische Ehrenworte und die Opfer, die die Wüstenkrieger gebracht hatten. Was ist schon ein gebrochenes Versprechen, verglichen mit dem vielen Öl unter dem Wüstensand und dem Suezkanal als Verbindungsweg nach Asien? Das war das einzige, was damals für die Sieger des Ersten Weltkriegs zählte. Und genau darüber beklagte sich schon Lawrence in seinem Buch »Die sieben Säulen der Weisheit«.
»Verrat an den arabischen Völkern«
Und diese Alten hatten sogar Namen. Mr. Sykes und M. Picot. Mark Sykes, ein britischer Diplomat und sein Kollege François Georges-Picot. Sie hatten im Auftrag ihrer Regierungen schon 1916 in einem Geheimabkommen festgelegt, wie der Nahe Osten nach einem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches unter den beiden Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien aufgeteilt werden sollte.
Der nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Völkerbund, ein Vorläufer der Vereinten Nationen, setzte Großbritannien und Frankreich als politischen Vormund über Provinzen der arabischen Welt ein, die früher zum Osmanischen Reich gehört hatten. London beanspruchte als Mandat Jordanien und Palästina, Frankreich bekam Syrien und den Libanon zugesprochen. Die Grenzen dieser Mandatsgebiete wurden mit dem Lineal gezogen, was man heute noch besonders drastisch an den Grenzen Jordaniens erkennen kann. Auch der östliche Nachbar des Haschemitenreichs ist ein solches Kunstgebilde. Aus drei osmanischen Provinzen hatten britische Offiziere ein Riesenreich zusammengebacken und es Irak genannt. Die Menschen, die dort lebten, hatten sie allerdings nicht gefragt. Und sich selbst hatten diese kolonialen Staatengründer offensichtlich auch
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