Brenntage - Roman
die pfeilschnell durch die Lüfte pfiffen, einige ließen sich sogar in den Wäldern bei unserer Siedlung nieder, um dort zu überwintern. Man nannte sie
Unglückshäher
, weil diese gleichsam Frost und Kälte (angeblich auch Pest und Kriege) brachten, was natürlich, bei näherer Betrachtung, keinesfalls den Tatsachen entsprach. Die Unglückshäher waren possierliche und freche Vögelchen, die im Geäst der Bäume wilde Jagden veranstalteten. Sie neckten sich gegenseitig in den Kronen und besahen uns Erdenbewohner mit wachen Augen. Manche behaupteten, sie kämen ursprünglich aus dem Norden, wo sie nicht mehr genug Futter vorgefunden hätten, und daher in Landstriche gezogen wären, die sie noch zu ernähren vermochten.
Mir brachte der Wind selten, was ich mir wünschte, allerdings war er tatsächlich für Überraschungen gut, die Soldatenlieder würde ich bestimmt ein Leben lang nicht vergessen …
zogen einst fünf wilde Schwäne, Schwäne leuchtend weiß und schön, sing, sing, was geschah? Keiner ward mehr je gesehen. Wuchsen einst fünf junge Birkchen, grün und frisch am Bachesrand, sing, sing, was geschah? Keins davon in Blüten stand. Zogen einst fünf junge Burschen, stolz und kühn zum Kampf hinaus, sing, sing, was geschah? Keiner kehrte je nach Haus. Wuchsen
einst fünf junge Mädchen, schlank und schön am Muschelstrand, sing, sing, was geschah? Keines doch den Brautkranz wand.
Lange Zeit dachte ich über die Lieder nach, ob die Soldaten (die in ihren bunten Uniformen auf losen Blättern abgebildet waren) auf ihren Wegen überhaupt echte Schwäne gesehen hatten, ob sie schaukelnden Geistern in den Birkenkronen begegnet waren und warum die Mädchen nicht einfach einem anderen Onkel ins Haus folgten … Als Kind ist einfach vieles verwirrend. Ich summte mir irgendwelche Töne, erfuhr aber nie, wie die zugehörigen Melodien tatsächlich klangen, Soldatengesang hat man in unseren Wäldern niemals gehört (unsere Soldaten blieben stumm wie die Fische).
Die Töne flogen mir manchmal einfach zu, ich hörte sie an Häuserecken (um die der Wind pfiff), ich vernahm sie im Rauschen und Rascheln der Bäume, sogar wenn es im Haus totenstill war, konnte man den lieblichsten und wehmütigsten Tönen (dem Knarren und Knistern) lauschen …
kein schön’rer Tod ist in der Welt, als wer vorm Feind erschlagen, auf grüner Heid’ im freien Feld, darf nicht hör’n groß Wehklagen. Manch frommer Held mit Freudigkeit, hat zugesetzt Leib und Blute, starb sel’gen Tod auf grüner Heid’, dem Onkel doch zugute. Mit Trommelklang und Pfeifengetön, manch frommer Held war begraben, auf grüner Heid’ gefallen so schön, unsterblichen Ruhm tut er haben.
Welchen Ruhm man wohl nach dem Tod erlangen konnte? Ob einen dann alle Schönheiten der Welt erwarten? Ob man im allerletzten Augenblick seines Lebens etwas bedauert? Ich sah es plötzlich deutlich vor mir, wie junge Männerin den Krieg zogen und junge Frauen im Haus zurückblieben und darauf warteten, dass das Leben irgendwann wieder so sein würde wie früher, und dann war es erneut totenstill.
Mädchen, bald verlass ich dich, und du bleibst mir ewig, du bleibst mir ewig unveränderlich. Dort auf der Straße, schwur ich Mädchen dir, und du tatest desgleichen, einen Schwur zu mir.
Was sich wohl junge Männer und Mädchen schworen und warum sie darum so viel Aufsehens machten? Wollte man allerdings den Soldatenliedern glauben, hielten sie diese Schwüre keinesfalls, alle waren sie plötzlich
verhindert
oder
anderswie gebunden
.
Wenn man jedoch noch ein Kind ist und in einer kleinen Siedlung lebt, was versteht man da schon von einer Welt, die längst in Flammen steht?
VII. Die Waldinsassen
Dicke Rauchschwaden zogen umher, eine Wand aus Rauch ließ die Konturen der Bäume glimmen,
weil diese Brände oft genug von Hitzköpfen gelegt werden,
sagte der Onkel. Die sich nicht anders zu helfen wussten und nur deshalb umkamen, weil sie zu viel Aufmerksamkeit auf sich zogen und ihren eigenen Instinkten nicht mehr trauten. Oft legten die Soldaten ganze Wälder in Schutt und Asche, weil sie dachten, ihre Ziele seien in verkohlten Landschaften leichter auszumachen.
Es ist wie beim Schach,
sagte der Onkel,
je weniger Figuren auf dem Spielfeld verbleiben, desto leichter fällt der Sieg
(glaubt gemeinhin auch der Laie).
Nach dem Tod der Tante spielten wir an so manchem Abend miteinander, der Onkel schnitzte die Schachfiguren aus diversen Knochenstücken, ich erinnere mich nur
Weitere Kostenlose Bücher