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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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von den unsrigen, sie waren vielleicht größer und sauberer, die Betten waren frisch bezogen, und samtene Vorhänge hüllten die Räume in ein dämmriges Licht. Ich setzte mich manchmal an den Esstisch und sah hinüber zu unserem Haus, von wo aus ich die Familie oft genug beim Essen beobachtete; es war hinter den Büschen und all den Hecken kaum auszumachen. Ich stellte mir vor, wie die Familie nach Hause kam und mich am Tisch vorfand, wie ich allerlei Lügengeschichten auftischen musste, um meine Gegenwart zu rechtfertigen. Ein Ball war durch eines der offenen Fenster geflogen, und ich hätte ihn zurückholen wollen, einer der größeren Jungen hätte mich verfolgt, und ich musste doch irgendwo Unterschlupf suchen, ich hätte geklopft und geklopft und wollte nur nach dem Rechten sehen (weil mich böse Vorahnungen plagten), ich bin in ihre Tochter verliebt und möchte um ihre Hand anhalten, Herr Nachbar.
    Ich musste lachen, stellte mir darüber hinaus auch vor, wie sie mich entgeistert anblickten und ich wie ein Frettchen (geschmeidig und biegsam) durchs offene Fenster verschwand … Wie mir der Nachbar sogar einen Stein nachwarf,den er (zum Erstaunen aller) in seiner Hosentasche mit sich herumgetragen hatte. Später würde er seiner Frau die Leviten lesen, dass man alle Fenster zu schließen habe (in unsicheren Zeiten) und einem Streuner wie mir alles zuzutrauen wäre. Seinen Töchtern würde er einbläuen, mich zu meiden, und diese würden nicken und nicken, hinterher, in ihren Zimmern, jedoch lauthals kichern. Vielleicht würden sie mir künftig zuwinken, immer, bevor sie schlafen gingen … Die Ältere könnte sich ans Fenster stellen und mir einen Kussmund zuwerfen (während die Jüngere Schmiere stand) und der Jüngeren später, wenn sie im Bett lagen, erklären, was ein Kuss genau bedeutet und was man mit einem Jungen so alles anstellen kann.
    Manchmal (im Herbst), wenn die Brenntage in vollem Gange waren, schlich ich mich davon, um in andere Häuser der Siedlung einzubrechen, es wurde allemal zu einem großen Abenteuer. Ich wusste doch genau, dass alle am Feuer standen und feierten, gemeinsam tranken und tanzten, die Hände emporreckten, ihre Stimmen erhoben und sich hochleben ließen, es war alles in allem eine wunderbare Nacht für meine verbotenen Streifzüge. Selbstverständlich hinterließ ich keinerlei Spuren oder entwendete irgendwelche Gegenstände, einzig und allein die Lust des Entdeckers wollte befriedigt werden, eine Topografie der Innenräume unserer Siedlung wollte ich anlegen, irgendwann könnte sich dies als nützlich erweisen.
    Ich übte an den Schlössern und Türen unseres Hauses … Mit einem Stück Draht und etwas Geduld konnte ich schon bald jedes Schloss knacken, oft genug waren bei den Häusern unserer Siedlung die Türen auch nur angelehnt odersowieso unversperrt. Es hieß, dass es in manchen Gemäuern ordentlich spuken solle … Klar nahm ich mir zunächst diese vor, interessierte mich darüber hinaus eine ganze Weile für ausgefallene Schauergeschichten. So soll etwa in einem nahen Haus einst ein bekannter Familientyrann seine Frau mitsamt den Kindern erschossen haben (dort nunmehr sein Unwesen treiben und jedem Mann an die Gurgel gehen), und in einem anderen waren angeblich leise Stimmen zu hören, die einen beharrlich auf den Dachboden lockten (was genau sie einem zuflüsterten, darüber war man sich im Unklaren). Im Haus auf der Straßenseite gegenüber hatte vor Jahren nachweislich eine Frau gelebt, die jedem die Zukunft vorhersagen konnte, und nachdem sie gestorben war, verfiel das Haus zusehends … Allerdings, wer es wagte, dort einzutreten, der konnte nach wie vor seine Zukunft erkennen, und all diejenigen, die das gewagt hatten, sollten schon bald eines grausamen Todes sterben.
    Ganz vorsichtig schlich ich durch das Haus des Tyrannen, heute lebten dort zwei Frauen, denen man allerlei Zärtlichkeiten nachsagte, der Onkel wollte kein weiteres Sterbenswörtchen darüber verlieren. Angeblich waren ihre Männer in den Minen ums Leben gekommen, seitdem lebten sie unter einem Dach und mieden die Gesellschaft aller, nur die Brenntage vermochten, sie auf den Hauptplatz zu locken. Ich lief von Zimmer zu Zimmer, immer auf der Hut, einem Gespenst zu begegnen, doch nichts geschah, und es gab nicht einmal Schusslöcher in den Türen oder im Mauerwerk, niemand ging mir dort ans Leder. Im anderen Haus stieg ich sogleich auf den Dachboden, es zog dort beharrlich, und Mäuse und Ratten

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