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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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einst
sabotiert
worden, wo doch das Geschäft mit den Minen ein einträgliches gewesen sein musste, viele wollten ihren Konkurrenten bestimmt nur eins auswischen. Möglicherweise hatte man die Minen auch zu tief in die Erde getrieben, und etwas
Ungeheuerliches
war geweckt worden, vielleicht hatten es damals ja auch nur Räuber auf den Zug abgesehen, der bestimmt Geld außer Landes hatte schaffen wollen. Sie sprengten die Gleise und lieferten sich ein erbittertes Gefecht mit dem Zugpersonal, das sich schützend vor die Reisenden stellte, und im Kugelhagel ließen später alle ihr Leben. Irgendwelche Frauen fielen wohl auch lebendig in ihre Hände und mussten fortan mit den Räubern in den Bergen und Senken hausen, vielleicht hatte die eine oder andere sogar eine Liaison mit einem dieser Schurken, und sie zeugten gemeinsam ganze Sippschaften an neuen Wegelagerern.
    Ich setzte mich hin und versuchte, eine der Schienen gerade zu biegen, mit aller Kraft stemmte ich mich gegen das Metall, doch mangelte es mir offenbar an Entschlossenheit. Ich legte mich auf den Gleiskörper und mühte mich, die Schienen zu glätten, aber auch daran scheiterte ich. Mir fehlten die Kraft des Onkels und das Wissen der Ingenieure, bestimmt war es möglich, alles wieder instand zu setzen, und vielleicht lag es nur an meiner mangelnden Bereitschaft, den Dingen etwas Zeit zu lassen.
    Später ging ich weiter den Bahndamm entlang, überall wuchsen Birken und Eiben, und die alte Bahnstrecke endete schließlich im Wald, verlief sich im Sand, und als ich noch weiterlief, kam ich zu der großen Schlucht, die keinen Anfang und kein Ende zu haben schien, die Felswände fielen steil ab, und man konnte bei bestem Willen nicht erkennen, ob sich unten ein Fluss oder eine Wüste oder etwas völlig anderes befanden … Der aufsteigende Nebel ließ keine weiteren Erkundungen zu.
    Ich kam noch oft hierher, manchmal mit anderen Kindern und so gut wie nie mit dem Onkel, der mir erzählt hatte, dass die Schlucht uninteressant sei, auf den ersten Blick gaukele sie einem Geheimnisse vor, doch beherberge sie lediglich
Ödland
, eine absonderliche Laune der Natur, und man solle sie lieber umgehen und sich die Mühe sparen. Ein paarmal versuchte ich, mit den anderen Kindern nach unten zu klettern, doch sogar mir (dem Kletterer) fiel der Abstieg schwer, und es wurde auch immer viel zu schnell dunkel. An anderen Tagen zogen wir los, um die Schlucht zu umgehen, doch fanden wir auf dieser Wanderschaft stets etwas Neues, das unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Wir vergaßen die Schlucht für eine Weile … So ähnlich erging es uns auch mit den Minen, die (wie die Schlucht) einer anderen Zeit zugehörten. Ich glaube, alle vergaßen nur zu gern (oder es interessierte sie tatsächlich nicht), nur ich erinnerte mich immer wieder daran, wo ich mir doch schon sehr früh Notizen gemacht hatte und mir selbst Jahre später noch den Kopf darüber zerbrach. Ich vertraute der eigenen Handschrift, vielleicht hatte ich das von meiner Mutter vererbt bekommen, die dem Geschriebenen große Bedeutung beimaß. Dass ich es gewesen sein soll, der sichall das notiert hatte, manchmal fiel es mir schwer, dies zu glauben, wo ich mich doch nicht mehr daran erinnern konnte … Das Leben steckte voller Überraschungen.
    Als es einmal weniger zu tun gab und sich der Onkel zu langweilen schien, bat ich ihn, mir die Schlucht zu zeigen, und wir folgten gemeinsam den Gleisen, über denen zahlreiche Mückenschwärme surrten. Wir zählten die alten Holzschwellen und kamen dabei auf 7.745.699, in diesem Punkt waren wir uns absolut einig. Die Wände der Schlucht schienen mit dem Onkel gar nicht mehr so steil, er zeigte mir einen kleinen, verborgenen Pfad, der in die Tiefe führte, immer ging er voran, und ich folgte. Es dauerte eine Weile, bis wir ganz nach unten gelangt waren, es war totenstill, und der Nebel wurde etwas lichter, überall lag Schotter, und kleine, knorrige Sträucher wuchsen aus dem feuchten und glitschigen Boden,
im Sommer hält sich der Schlamm halbwegs in Grenzen,
sagte der Onkel. Er hob einen der Steine auf und schleuderte ihn weit von sich, er prallte irgendwo gegen eine andere Felswand.
    Ich fasste mir ein Herz, nahm ebenfalls einen Stein und schleuderte ihn, so weit ich konnte, doch er fiel schon nach gut vierzig Metern zu Boden, und der Onkel lachte laut auf. Ein wenig schienen mir die hiesigen Steine (bei vergleichbarer Größe) schwerer zu sein als jene, die wir normalerweise im

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