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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ersten Schürfer kamen auf gut Glück in die Berge,
sagte der Onkel, sie hatten weder die Mittel noch einen Plan, die Entdeckungen und die daraus resultierende Aufbruchstimmung waren einfach nur Zufall.
    Ich selbst wollte alles über die Minen erfahren, wo wir doch in den Wäldern immer wieder auf vergessene Stolleneingänge und Hinterlassenschaften der Minenarbeiter stießen … alte Karren und allerlei Eisenteile, Winkelmesser undSprengstoffröhren und jede Menge rostiger Nägel. Einmal schlugen wir uns (dank einer dieser fragwürdigen Entdeckungen) sogar mit alten Eisenstangen die Köpfe blutig, heisere Kinderschreie und dumpfe Schläge hallten durch den Wald, wir stritten uns um Nichtigkeiten und warfen uns allerlei Beleidigungen an den Hals … Kinder, die sich so manches nicht verzeihen konnten. Alle Burschen und Mädchen, die sich im Wald herumtrieben, legten früher oder später eine Rangordnung fest, in einer jeden Truppe und Rotte gab es eine solche, die Älteren und Stärkeren herrschten über die Jungen, sie bestimmten, was getan werden und wer für was büßen musste.
    Früher gab es noch Brücken über die große Schlucht,
sagte der Onkel unvermittelt,
sie verschwanden mit dem Fortschritt, dem Niedergang der Minen und der Eisenbahn, Kriege und Nöte kamen, und alles ging vor die Hunde. Von den Streunern können wir eine ganze Menge lernen,
sagte der Onkel, und er meinte die Hunde und Menschen, die durch die Landschaft zogen und aus der Not eine Tugend machten. Sie lebten überall und waren frei wie der Wind und gingen seit jeher allen Schwierigkeiten (und Pflichten) aus dem Weg, das Talent dafür den Menschen angeboren.
    Tatsächlich waren uns in den Wäldern bisweilen Hunde begegnet, die Rudel bestanden oft aus zwanzig bis dreißig Tieren, sie flohen selbst vor den kleinsten Kindern und verschwanden lautlos im Unterholz. Manchmal hörten wir sie in der Ferne bellen und jaulen, vielleicht verhöhnten sie so versprengte Soldatengrüppchen, mag sein, sie meinten auch uns, wo wir ihnen in den Wäldern doch nur zu gern in die Quere kamen.
    Die ersten Schürfer brachten ein paar scheckige Hunde mit sich,
sagte der Onkel,
die vermehrten und entfernten sich von den Minen, sie ließen ihre alten Herren im Stich und suchten das Weite.
In der Siedlung gab es niemals irgendwelche Hunde (das konnte ich bestätigen), sie waren erst später aus einer fernen Welt gekommen, jenseits der großen Schlucht, wo man sie einst domestiziert und aufs
Töten
abgerichtet hatte.
Vielleicht waren sie es gewesen, die schließlich das Gold und Uran gefunden hatten,
sagte der Onkel,
bestimmt aber veränderten sie mit dem ihnen angeborenen Spürsinn unsere Welt.
    Die Männer der Siedlung suchten fortan ihr Glück in den Bergen, sie ließen sich anheuern und bezahlen, viele trieben schon bald die Arbeit in den Stollen und Gruben voran, einige schlossen sich sogar den
Schienenlegern
an, sie bauten die Brücken und fällten alte Bäume. Die Eisenbahn nahm sich alles (und jeden), doch es kamen neue Männer und Frauen, die Siedlung schrumpfte und wuchs wieder, alles pulsierte und roch irgendwie nach Untergang. Der Onkel breitete seine Hände vor mir am Tisch aus, ich sah die Furchen und Kerben auf seiner Haut, die Vergangenheit hatte dort zweifellos ihre Spuren hinterlassen.
    Es war klar, eines Tages würden die Reichtümer der Minen versiegen, man würde sich für ein paar Gramm Erz die Köpfe einschlagen, Soldaten würden die noch gewinnbringenden Minen sichern, und wieder andere kämen, um ihnen mit Präzisionsgewehren den Garaus zu machen. Viele würden zu fliehen versuchen und andere sterben, Brücken ließen sich sprengen und Eisenbahnschienen aus dem Boden reißen, die Wälder würden in Flammen versinken und die Minen verwildern, blinde Stollen und steinerneKluften ohne Wiederkehr.
Es gibt nichts mehr zu holen, tief unten in der Dunkelheit, sagte der Onkel, niemandem von uns fiel es damals leicht, zu töten, kaum einer gewöhnte sich daran.
    Manchmal pumpte man ganze Stollen mit Wasser voll, um all diejenigen zu töten, die sich dort zu schaffen machten, die einfach nicht akzeptieren wollten, dass sie sich an fremdem Eigentum vergriffen. So wechselten ertragreiche Stollen bisweilen ihre Besitzer, die unterschiedlichsten Gesellschaften wetteiferten um die besten Plätze, und einige setzten sogar auf in fernen Ländern angeworbenen Kräfte, klein und drahtig und loyal waren diese Arbeiter,
viele von denen ertranken vor unseren

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