Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Augen,
sagte der Onkel.
Manche kamen aus noch ferneren Ländern zu uns, sie waren von dunkler Hautfarbe, und man konnte sie in den Stollen nur schwer ausmachen, sie tauchten in der Dunkelheit unter und trugen sie zugleich am Körper, keiner von uns konnte sich mit ihnen verständigen,
behauptete er.
Wir tranken manchmal mit ihnen, doch dann und wann drehten wir ihnen die Hälse um, sie waren von kräftiger Statur, und es war alles andere als ein Leichtes.
    Die Ertrinkenden nannte man
Wassertreter
, weil sie sich oft irgendwo in der Nähe größerer Luftblasen sammelten und so lange Wasser traten, bis ihre Kräfte erlahmten.
Das Abpumpen des Wassers war echte Knochenarbeit,
sagte der Onkel, und es dauerte angeblich zwei, drei Wochen, die Stollen trockenzulegen und die aufgedunsenen Leichname zu entsorgen (oft holte man hundert bis zweihundert Männer aus einem Berg).
    Einmal versuchte man, den Onkel zu ertränken, eine konkurrierende Minengesellschaft, die sich akribisch durchden Berg wühlte, sie hatte heimlich die Stollen angebohrt, um Wasser einzuleiten.
Unser ganzer Trupp, gut einhundertachtzig Männer, sollte dran glauben,
sagte der Onkel.
Doch sie hatten zu wenig Druck auf den Pumpen, das Wasser stieg nur langsam, und alle von uns konnten sich
(mehr oder minder beherzt)
ins Freie flüchten. Draußen formierten wir uns und stiegen über die Pässe auf die andere Seite des Berges
(wo die feindliche Gesellschaft ihr Basislager hatte).
Wir warteten ab, bis möglichst viele ihrer Arbeiter im Berg verschwanden, überwältigten die Verbliebenen und sprengten die Stolleneingänge, durch die Detonation verschob sich zwar zum Leidwesen aller der ganze Berg, doch von denen hat man keinen je wiedergesehen. Klar, wir verloren dabei auch unseren Stollen,
sagte der Onkel,
überlebten jedoch und wurden schon bald woanders fündig.
    Die Bergleute waren insgesamt ein buntes Völkchen,
sagte der Onkel,
sie kamen aus allen Ecken der Welt, die meisten mir bekannten Kontinente waren vertreten … Es kamen die Ledernacken und Steinfäuste, Pferdeherren und Rotkehlen, Krausköpfige, Baumschläger, Blauröcke und Nordlichter, die Letzteren waren nicht sonderlich helle,
lachte der Onkel. Sie sprachen so gut wie nie und verständigten sich mit Gesten, Zeichen und Knurrlauten, was angeblich daran lag, dass es in ihrer Heimat zu kalt war, um den Mund aufzumachen.
Die Kälte ließ sogleich die Zunge am Gaumen gefrieren, und im Laufe der Jahrhunderte hätte sich die Sprache zurückgebildet, kleine Stummelchen
(anstatt der Zungen)
blieben in ihren Mündern zurück und ihre Sprache auf der Strecke
, sagte der Onkel.
    Dann saß der Onkel eine ganze Weile stumm am Küchentisch, bis er sich mir erneut zuwandte und noch mehr von früher erzählte … Damals schworen sie in manchen Teilender Welt noch auf Rundkirchen, sie vermieden es tatsächlich, Ecken und Kanten in ihren Kirch- und Ratshäusern zuzulassen, da sich dort (im Dämmerlicht) der Teufel hätte verstecken können, die Welt war eine wilde Mixtur aus Ungeduld und Aberglauben.
    Ich ertappte mich dabei, mir vorzustellen, wie der Teufel irgendwo in einer Ecke eines solchen Rathauses lehnt und mir seinen Zeigefinger an die Lippen legt, er trägt einen schwarzen Mantel und raucht Zigarren, natürlich muss er nicht husten. Ich erinnere mich, wie mir der Onkel früher erzählte, dass Schnapsbrenner ihre Brände in alte Holzfässer füllen und lange Jahre einlagern, um die Qualität des Destillats zu steigern. Immer dann, wenn sie die Fässer öffnen, fehlt allerdings ein Teil der Flüssigkeit, und sie einigten sich irgendwann darauf, diesen als
Anteil der Engel
zu verbuchen. In unserer Siedlung wurde Engeln und Teufeln nie ein besonders hoher Stellenwert beigemessen, die Erwachsenen erwähnten sie kaum, und wir Kinder interessierten uns lieber für die alteingesessenen Geister (was für uns etwas völlig anderes war). Vielleicht war aber auch alles dasselbe, und auf jedem Kontinent und in jeder Siedlung benannte man diese
Unnahbaren
, wie man wollte, meinte jedoch immer dieselben Phänomene.
    Einmal wollte ich vom Onkel wissen, ob er jemals in den Minen auf Geister gestoßen war, er wiederum ließ sich zu nichts verleiten, sprach von staubigen Gesellen und verschwitzten Lumpen, die durch die Stollen schlichen, einem schwer auf den Geist gehend und allen einen gehörigen Schrecken einjagend, das schon.
Zunächst gab es dort unten nur sie, die Tagelöhner und einige wenige Männer aus

Weitere Kostenlose Bücher