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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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wartete. Links neben ihm Riwal und Le Coz. Am Ende der Bar saß Nolwenns Schwiegervater.
    Dupin war immer noch benommen, eben gerade hatten sie sich in einer Sommerabend-Terrassen-Atmosphäre befunden, jetzt kam er sich vor wie in einer abgelegenen Forschungsstation, die von der Außenwelt abgeschnitten war. In dem großen steinernen Kamin brannte ein Feuer – bei seinen letzten Besuchen hatte Dupin nicht einmal bemerkt, dass es ihn gab, obwohl er eine ganze Ecke des Raums einnahm. Der tobende Sturm und der prasselnde Regen draußen waren zwar deutlich zu hören, aber auf eine wundersame Weise nur als dumpfes Hintergrundgeräusch, das sogar beinahe angenehm war. Es wirkte urgemütlich – auch wenn Dupin alles andere als in gemütlicher Stimmung war –, zugleich aber empfand er es hier als bedrohlich eng, eine sonderbare Mischung.
    »Wenn Stürme kommen, gibt es traditionell eine Cotriade, Monsieur le Commissaire. Das hebt die Laune. Mögen Sie?«
    Dupin beschäftigte etwas völlig anderes – er musste dringend ein paar Anrufe machen. Es gab einige Dinge, die er unbedingt verfolgen wollte. Er konnte überdies nicht verhehlen, dass ihm im Hinterkopf die Frage zu schaffen machte, wie Solenn Nuz sich so sicher gewesen sein konnte, dass ein Unwetter kam, sodass sie sich bereits vor Stunden an die zweifellos aufwendige Zubereitung der Cotriade gemacht hatte – schon, als er selbst noch geschworen hätte, untrüglich die Zeichen eines soliden Hochs ausmachen zu können. Was aber viel schlimmer war: Sie würden bei Sturm die Suche nach Le Menn auf See einstellen müssen. Und noch schlimmer: Was war mit der Spurensicherung? Mit Reglas und seinem Team? Auch sie würden jetzt nicht arbeiten können. Dupin fragte sich, wo sie sich wohl aufhielten – auch Goulch und seine Mannschaft. Hatten sie auf Brilimec einen provosorischen Unterschlupf gefunden? Was war mit dem Hubschrauber? War Le Menn auf der Flucht, wäre er morgen über alle Berge – war er in Gefahr, wäre nun wahrscheinlich alles zu spät.
    Solenn Nuz deutete Dupins Schweigen vollkommen falsch.
    »Ach ja. Natürlich.«
    Sie lächelte sanft.
    »Sie sind ja neu – Cotriade ist unser klassischer bretonischer Fischtopf.«
    Dupin kannte die Cotriade, er aß sie, grob überschlagen, einmal im Monat, seit fast vier Jahren, das waren um die fünfunddreißig, vierzig Cotriades gewesen, schätzte er. Sie gehörte zu seinen Lieblingsgerichten. Aber er war zu abwesend, um zu protestieren.
    »Die im Süden haben das als Bouillabaisse kopiert! Etwas Rouille dazu und flugs erheben sie es zum Nationalgericht!«
    Der Unterwasserarchäologe, den Dupin auf Ende fünfzig schätzte und der ein schmales Männchen war, hatte eine fast schon lustig quäkende Stimme, was nicht zu der Empörung passte, die sein Gesicht ausdrückte, als er sich einmischte.
    »Dabei ist die Cotriade das Original! Mindestens acht Fischsorten, dazu Krustentiere und Muscheln! Lauch, bretonische Kartoffeln, bretonische Butter. Frische Kräuter! Lorbeer! Fleur de Sel! – In Marseille nehmen sie lediglich sechs Fischsorten.«
    Es klang nach echter Verachtung.
    »Sie wurde von den Frauen der Fischer erfunden, sie nahmen dafür abends die Fische und Fischstücke, die ihre Männer morgens auf dem Markt nicht hatten verkaufen können. Man legt ein paar in Butter gebratene Baguettestücke in einen Teller, gießt den Fond darüber, gibt die Fischstücke, Krustentiere und Muschen dazu – und dann, das Entscheidende, krönt das Ganze mit einer kräftigen Sauce. Ein Geheimrezept in jedem Haus! Sie …«
    Dupin unterbrach ihn.
    »Ich muss mich dringend mit meinen Kollegen besprechen – entschuldigen Sie mich.«
    Solenn Nuz blinzelte Dupin zu und lächelte verständnisvoll.
    Dupin machte Riwal und Le Coz ein Zeichen, sie folgten ihm. Dupin war ein paar Schritte Richtung Tür gegangen, als ihm einfiel, dass es keine gute Idee war, rauszugehen. Sie würden drinnen bleiben müssen. Aber obwohl nur knapp die Hälfte der Tische besetzt war, war es viel zu laut zum Telefonieren, von der Diskretion ganz zu schweigen. Selbst in der Küche wären sie nicht unter sich.
    »Gehen wir doch in den Anbau, Madame Nuz wird sicher nichts dagegen haben. Ich werde sie kurz fragen.«
    Das war eine gute Idee von Riwal. Dupin steuerte sofort auf den Durchgang zu, Riwal zurück an den Tresen, zu Solenn Nuz.
    Bevor er die Tür öffnete, sah er sich kurz zu Riwal um, der ihm zunickte. Dupin musste die eiserne Türklinke kräftig drücken, dann

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