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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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würde es gerade von Penfret zurückgeschafft haben. Keiner der drei hatte ihn bisher bemerkt.
    Solenn Nuz warf ihm von der Bar aus einen Blick zu, der nicht leicht zu deuten war, aber vermutlich etwas wie »Machen Sie sich nichts draus« hieß. Dann lächelte sie. Dieses ruhige, zugleich verbindliche Lächeln. Dupin ging zu ihr.
    »Wir sitzen fest.«
    »Ich weiß. Und Sie können gar nichts tun. Das kann dauern.«
    »Was meinen Sie? Wie lange wird das dauern?«
    »Eine Nacht lang sicher. Ich denke, nicht länger.«
    Dupin war zu niedergeschmettert, um darauf zu reagieren.
    »Madame Lefort wird für Sie und ihre Kollegen eine Möglichkeit zum Übernachten finden. Sie hat ein zweites Haus, direkt neben ihrem eigenen. Darin befinden sich zwei kleinere Wohnungen. In der einen wohnt Madame Menez, in der anderen bringt sie manchmal Gäste unter.«
    Dupin wollte zunächst ablehnen. Auch das war grotesk. Auch daran hatte er nicht gedacht. Aber irgendwo würden sie in der Tat schlafen müssen, zumindest für ein paar Stunden.
    Riwal und Le Coz hatten sich an einen der letzten freien Tische gesetzt.
    »Siehe da, Monsieur le Commissaire gehört auch zu den Gestrandeten.«
    Marc Leussot hatte sich neben ihn gestellt, ohne dass Dupin ihn hätte kommen sehen. Er trug immer noch die verwaschenen Shorts von heute Mittag, dasselbe T-Shirt. Dupin kam es vor, als läge das Gespräch auf dem Boot bereits Tage zurück.
    Dupin war nicht nach Konversation zumute. Doch genau an den Meeresbiologen hatte er ein paar dringende Fragen. Leussot sprach weiter, bevor Dupin sich sortieren konnte.
    »Ist Le Menn wieder aufgetaucht?«
    Dupin zuckte zusammen.
    »Sie wissen von seinem Verschwinden?«
    »Sie lassen seit ein paar Stunden eine Großfahndung nach ihm laufen, in allen Medien. Ich höre viel Radio auf dem Boot.«
    Natürlich. Die meisten würden es wissen. Auch wenn Madame Lefort eben anscheinend noch nichts davon gewusst hatte. Und Tanguy ebenfalls nicht.
    »Ja. Wir fahnden nach Docteur Le Menn.«
    »Ein Scheißfall.«
    »Sie haben keine Ahnung, was mit Le Menn passiert sein könnte?«
    »Ich hätte es Ihnen schon gesagt, glauben Sie mir. Das ist ernst.«
    »Apropos ernst. Sie hatten gar nicht erwähnt, dass Sie Lefort vor nicht allzu langer Zeit verprügelt haben.«
    »Das ist kein Geheimnis. Und ich denke, ich habe sehr deutlich gemacht, was ich von ihm halte.«
    »Was haben Sie außerdem nicht erzählt, weil Sie dachten, es sei nicht nötig?«
    Leussot lachte, ein tiefes, souveränes Lachen.
    »Richtig. Und das ich – als mehrfach Verdächtiger.«
    Plötzlich war ein dumpfes Krachen zu hören. Jemand hatte die Tür von außen geöffnet, dabei hatte sie ein scharfer Windstoß erwischt und mit Gewalt aufgeschlagen. Anjela Barrault warf sich in den Raum. Es sah gleichzeitig lustig und dramatisch aus. Mit einer kraftvollen Bewegung schloss sie die Tür hinter sich, blieb einen Moment stehen und lächelte in die Runde. Statt des Taucheranzugs trug sie inzwischen Jeans und eine Windjacke darüber. Auch sie war tropfnass.
    »Das war knapp.«
    Es klang kein bisschen kokett, und so, wie Dupin sie eben kennengelernt hatte, meinte das ohne Übertreibung: Nur um Haaresbreite bin ich dem sicheren Tod auf See entkommen.
    Das alles hier entwickelte sich zu einer regelrechten Szene aus einem Roman. Dupin hätte sich amüsiert, wenn es nicht so ernst gewesen wäre. Eine von der Außenwelt abgeschnittene, bedenklich kleine Insel inmitten eines tosenden Sturms in einem alten, knarzenden Haus, das zum Gefängnis geworden war und in dem sie alle zusammen bei Kaminfeuerschein die Sturmnacht durchwachten. In deren Verlauf weitere mysteriöse Dinge geschähen. Es womöglich zu Verbrechen oder gar Morden kommen könnte. Tatsächlich hatte sich der Großteil der Verdächtigen mittlerweile hier versammelt.
    Leussot schien von Barraults Auftritt weniger fasziniert zu sein, er schien eher auf den Fortgang des kleinen rhetorischen Gefechtes zu warten. Doch Dupin hatte die Lust an diesem Gespräch verloren.
    »Ich muss mich mit meinen Kollegen besprechen, entschuldigen Sie mich, Monsieur Leussot.«
    Er verließ den Tresen, ohne eine Reaktion abzuwarten, und schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch. Sein Blick streifte Madame Lefort und Madame Menez, die in der hintersten Ecke saßen und ihm etwas verlegen zunickten. Solenn Nuz stand gerade an ihrem Tisch. Dupin vermutete, dass sie darüber sprachen, wie sie seine Kollegen und ihn unterbringen konnten. Es war

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