Bretonische Brandung
abgeschlossen ist.«
»Das tue ich, Claire. Sofort.«
Sie hatte aufgelegt.
Das war ziemlich unglaublich gewesen, fand Dupin. Er musste aufpassen, beinahe wäre er auf einer Alge ausgerutscht.
Doch er hatte nicht viel Zeit, sich weiter zu freuen, sein Handy klingelte schon wieder.
Es war Goulch.
»Ja.«
Dupin klang missmutiger, als er tatsächlich war. Er hätte nur gern noch das Gespräch mit Claire nachwirken lassen.
»Der Forensiker hat zwei Einschüsse gefunden. In dem verlassenen Haus auf Brilimec ist geschossen worden. Mindestens zwei Schüsse.«
»Geschossen?«
»Ja, sie haben die Kugeln im Mauerwerk gefunden. Sie bestimmen gerade das Kaliber. – Etwa einen Meter links von den Fußspuren, die wir gesehen haben. Beide Einschüsse liegen dicht beieinander und wurden wahrscheinlich von der Stelle aus abgegeben, von der wir vermuteten, dass dort jemand gestanden hat.«
»Also hat jemand absichtlich danebengeschossen.«
»Bitte?«
Der Schütze hatte in dem kleinen Raum höchstens zwei, drei Meter entfernt stehen können, überlegte Dupin, selbst wenn er im Durchgang vom ersten zum zweiten Zimmer gestanden hätte. Aus dieser Entfernung schoss niemand zwei Mal einen Meter daneben. Le Menn? Oder war Le Menn derjenige, auf den geschossen worden war?
»Das waren Schüsse zur Einschüchterung.«
Goulch antwortete nicht sofort. Dann hörte man regelrecht, wie der Groschen fiel.
»Stimmt!«
»Sonst noch Spuren?«
»Das Vorhängeschloss und die Tür werden noch genauer untersucht.«
»Das war es?«
»Im Moment ja.«
»Danke, Goulch.«
Eine Minute später stand Dupin wieder vor dem Quatre Vents.
Riwal und Le Coz hatten sich an den Tisch gesetzt, an dem sie gestern Abend alle gesessen hatten. Solenn Nuz war noch immer nicht zu sehen, dafür die ältere Tochter. Ganz rechts, an seinem angestammten Platz, saß Pascal Nuz, in eine Zeitung vertieft. Direkt neben ihm Leussot, er machte eine joviale Geste, um den Kommissar zu begrüßen. An zwei Tischen saßen bereits kleinere Gruppen, Taucher oder Segler. Und die »Presse« war auch wieder da. Das bemerkenswerte Gespann vom Télégramme und Ouest France saß in der Ecke direkt neben dem Eingang, vor ihnen standen zwei dampfende g rands crèmes. Beide machten ein verdrießliches Gesicht. Obwohl sie es eigentlich hätten wissen müssen. Sie hatten bereits mehrfach Erfahrung mit seiner – wie Dupin fand – sehr klaren Informationspolitik gemacht: kein Wort, bevor der Fall nicht gelöst war. Nichts war davor aus ihm herauszubekommen. Es sei denn, er sah einen handfesten Vorteil für seine Ermittlungen – den er hier nicht sah.
Dupin hatte auch jetzt keine Lust auf eine Unterhaltung, ignorierte sie vollständig und bewegte sich direkt auf die Kaffeemaschine zu, neben die Louann Nuz gerade einen frischen café gestellt hatte. Offenbar eine Bestellung für einen der Tische.
»Einen café noch, bitte.«
»Gern. – Guten Morgen, Monsieur le Commissaire.«
»Guten Morgen.«
Mit ein paar geübten Handgriffen bereitete Louann Nuz den café zu, der sogleich duftend vor ihm stand.
»Danke! Ist Ihre Mutter da?«
»Sie holt nur etwas aus dem Haus. Sie müsste gleich zurück sein.«
Dupin überlegte, ob er sagen sollte, dass er mit ihr sprechen wolle. Er entschied sich dagegen.
Dupin nahm den café und ging zu Riwal und Le Coz.
»Wir arbeiten draußen weiter.«
»Das hatten wir auch vor, Chef. Aber da ist alles noch vollkommen nass.«
»Macht nichts.«
Hier drinnen zu sitzen war eine blödsinnige Idee. Aus vielerlei Gründen, nicht nur der Presse wegen.
Draußen schüttelten sie das Regenwasser notdürftig von den Stühlen und setzten sich.
»Ich habe vor einer Minute mit der Mairie in Fouesnant telefoniert«, sagte Le Coz ruhig.
»Ist sie schon geöffnet?«
Dupin war aufrichtig überrascht.
»Wir haben gleich halb neun, sie ist ab acht Uhr geöffnet. Das ist ein Amt. Ich habe mit der zuständigen Mitarbeiterin gesprochen. Madame Nuz hat vor einigen Monaten einen Antrag gestellt, den Anbau des Quatre Vents neu konstruieren zu dürfen. Sie war in den letzten Wochen zweimal da, um Details zu klären. Gestern wollte sie nur noch mal ihre Akte einsehen. Jede Einrichtung, jede Person, jede Firma, die Anträge einreicht, bekommt eine eigene Ablage. So eine Mappe. Dort kommt alles rein, auch Zwischenbescheide. Der ganze Vorgang.«
»Warum wollte sie das? Worin besteht der Zusammenhang mit dem geplanten Neubau?«
»Das weiß ich nicht. Madame Nuz hat der
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