Bretonische Brandung
Explorer IV, die den Admiral’s Cup gewonnen hat, den härtesten und bedeutendsten Segelwettbewerb für Hochseejachten. Die offene Klasse – die inoffizielle Weltmeisterschaft. Nur Bretonen in der Mannschaft!«
Nolwenn holte jetzt doch einmal Luft und fuhr etwas ruhiger fort.
»Mit ihm macht Konan seine Touren. Die Zentrale auf den Inseln befindet sich direkt neben dem Quatre Vents. Er hat auch ein Haus auf Saint-Nicolas, eines dieser von außen sehr hässlichen Häuser, Richtung Bananec.«
Widerwillig stieg Dupin in das Thema ein.
»Wohnt er auf den Inseln?«
»Eigentlich wohnt er in Les Sables Blancs, da hat er wohl eine Villa, von einem Stararchitekten hochmodern renoviert, mit Pool und allem. Aber er scheint auch häufiger auf Saint-Nicolas zu übernachten. Ein eingefleischter Junggeselle. Wenn Sie mich fragen: ein Aufschneider, Großtuer und Frauenheld. Er macht nicht selten Schlagzeilen.«
Dupin reizte es erneut, zu fragen, woher sie das alles wusste und wo sie diese Informationen innerhalb so kurzer Zeit herbekommen hatte. Nicht zuletzt, wie sie zu ihrer drastischen Charakterisierung kam, zuerst hatte er wie ein Held geklungen.
»Lefort hat seine beiden Boote übrigens natürlich nicht in Bénodet liegen, sondern in Concarneau. Er besitzt eine luxuriöse Segeljacht und eines dieser Speedboote. Mit diesem verkehrt er wohl immer zwischen den Glénan und dem Festland.«
»Hm. Und warum sind sie auf ihren Touren nicht mit der Luxusjacht unterwegs, Konan und er?«
»Keine Ahnung, Monsieur le Commissaire.«
»Ich werde sehen, ob ich ihn zufällig hier antreffe. Oder ob jemand etwas weiß.«
Dupin hatte den Satz ganz instinktiv gesprochen. Nolwenn hatte anscheinend genau damit gerechnet, sie kannte ihn.
»Ich habe eben bei der Segelschule nachgefragt, ob er da ist. Sie sagten, sie wüssten nicht, wo er im Moment sei, aber er werde dringend erwartet.«
»Alles klar. Sagen Sie Riwal, der Hubschrauber braucht mich doch nicht abzuholen. Er wird ja sicher später noch einmal kommen. Vermute ich. Nachdem er die Leichen nach Quimper gebracht hat, oder?«
»Das weiß ich nicht. Aber es gibt ja noch den zweiten Hubschrauber der Seerettung.«
»Sehr gut.«
Dupin wollte nur eines nicht: noch einmal aufs Boot.
Wenige Minuten später stand Kommissar Dupin vor dem in der Tat sehr hässlichen Haus Lucas Leforts, es war das erste in der Reihe. Die anderen, vollkommen identischen Häuser folgten in Abständen von ungefähr fünfzehn Metern, sechs Stück, dabei jeweils ein paar Meter weiter nach hinten versetzt. Alle waren von einem großen, aber öden Garten umgeben, nur mit dem buschigen wilden Gras der Insel bewachsen, dafür mit berückendem Blick auf die Lagune von Saint-Nicolas, auf Penfret, Drénec, Le Loc’h und, mitten in der Kammer, Fort-Cigogne. Die Gärten waren durch eine kniehohe, kurios anmutende und völlig undekorative Betonmauer von dem am Meer entlangführenden Weg getrennt. Die Häuser mussten aus den Siebzigern stammen und waren damals sicher ambitionierte Architektur gewesen. Die Schieferdächer waren bis zum Boden gezogen, die Fenster und Terrassen wie Nischen darin eingearbeitet, das hatte mal als schick gegolten. Nur die seit einigen Jahren äußerst strikten Küstenschutzgesetze hatten vermutlich verhindert, dass sie abgerissen und durch neue Häuser ersetzt worden waren. Die Terrasse Leforts war aus Holz und das einzig Schöne an dem ganzen Haus, umrandet mit großen Steinen, versehen mit einem, wie Dupin fand, übertrieben großen Holztisch und ebenso übertrieben vielen Stühlen.
Durch die das Licht reflektierenden Panoramafenster war niemand auszumachen. Am rechten Grundstücksrand befand sich ein kleines Holztor, von dem ein schmaler Kiesweg zur Eingangstür an der Seite des Hauses führte. Am Tor war keine Klingel zu sehen. Nur ein emailliertes Schild: »L. Lefort«.
Dupin spielte noch einmal mit dem Gedanken, doch rasch Riwal Bescheid zu geben, ihn direkt mit aufs Festland zu nehmen. Die ganze Situation war zu grotesk. Da erkundigte er sich nach dem offensichtlich unsympathischen Freund eines ebenso unsympathischen Freundes des ihm verhassten Präfekten. Womöglich lag Lefort nach einer langen Nacht sogar noch wohlig im Bett, wenn nicht hier, dann in seiner Villa in Sables Blancs. Und was hieß das schon – »Sie erwarten ihn«? Überhaupt: Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass Konan und Lefort zwei der drei Leichen sein könnten, die sich gerade auf dem Luftweg in die
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