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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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Pennec kein sehr enges Verhältnis zu seinem Sohn gehabt hatte, so sehr Loic Pennec in den Gesprächen auch versuchte, es anders aussehen zu lassen. Und was war mit Madame Lajoux, seiner – das stand für Dupin fest – Geliebten? Mit Fragan Delon? Mit Beauvois, der ihn in allen Kunstdingen beraten hatte, dem Pennec anscheinend vertraut hatte? Und die Frage war noch weiter zu spannen. Was war mit André Pennec? Oder hätte ein Außenstehender das Bild als ein Original erkannt? Und was hatte alles genau jetzt losgetreten, zu diesem Zeitpunkt? Das einzig erkennbar Ungewöhnliche der letzten Wochen war, dass Pennec von seinem sehr wahrscheinlichen baldigen Tod gewusst hatte.
    Dupin war fast am anderen Ende des Strands angekommen, wo eine kleine Straße buchstäblich im Meer endete, hier wurden die Boote ins Wasser gelassen. Rechts lag ein wenig erhöht in der alten Dünenlandschaft das Ar Men Du , das, in Dupins Augen, beste Restaurant der Küste und ein kleines hübsches Hotel. Es war ein besonderer Ort. Hier, im Finistère, gab es ein paar Orte, an denen man es ganz und gar spüren konnte: das Ende der Welt. Ja, hier endete die Welt, an diesem zerklüfteten, wilden Vorsprung. Vor einem lag nur das unendliche Meer, eine Weite, die man nicht sah – die sich einem aber ganz deutlich als Gefühl mitteilte. Tausende Kilometer Wasser, wilder Ozean, kein Fitzelchen Land, nichts.
    Dupin musste in Ruhe telefonieren. Dringend. Hier draußen war es unmöglich. Und bei diesem Wetter würde kein Mensch im Ar Men Du sein, er würde sich in die Bar setzen, die Hotelgäste hatten einen eigenen Frühstücksraum. Telefonieren und einen café trinken.
    Das Ar Men Du gehörte Alain Trifin, er führte es seit einigen Jahren, es war früher eine Kaschemme gewesen, aber er hatte gesehen, was es sein könnte, und etwas Großes daraus gemacht. Dupin mochte ihn sehr, seine feine, kluge, lakonische Art, die Gespräche mit ihm, die nie lang waren, aber echt. Dupin kam selten ins Ar Men Du , aber immer, wenn er dort war, dachte er, dass er viel öfter herkommen sollte.
    Trifin lächelte, als er Dupin eintreten sah, von Kopf bis zu den Füßen durchnässt, triefend. Dupin blieb in der Türe stehen. Ohne ein Wort zu sagen verschwand Trifin in der Küche und stand einen Augenblick später mit einem Handtuch vor Dupin. Er war groß gewachsen, hatte dichte, kurze Haare, markante, klare Züge, ganz sicher ein gut aussehender Mann.
    »Trocknen Sie sich erst einmal ab, Monsieur Dupin. Einen café ?«
    »Danke – unbedingt.«
    »Ich nehme an, Sie wollen für sich sein.«
    Trifin zeigte auf den Tisch in der Ecke, direkt vor dem großen Fenster.
    »Ich muss ein paar Gespräche führen. Ich …«
    »Hier stört Sie niemand.«
    Er blickte wie erklärend hinaus in den peitschenden Regen.
    Dupin trocknete sich den Kopf, das Gesicht, zog die Jacke aus, fuhr sich einmal mit dem Handtuch über die Kleidung und legte es auf den Stuhl, bevor er sich setzte. Eine kleine Pfütze hatte sich gebildet, wo er zuvor gestanden hatte. Trifin machte einem der beiden Kellner ein Zeichen.
    Einen Augenblick später stand Trifin an der gewaltigen Espressomaschine. Ein sehr junger Kellner brachte den café und versuchte dabei so diskret wie möglich zu sein, er bewegte sich, als hätte er den Ehrgeiz, von Dupin gar nicht bemerkt zu werden.
    Dupin wählte Riwals Nummer, es klingelte lange, bis Riwal abnahm. Das Einzige, was Dupin zunächst hörte, war ein grässliches Rauschen, dann Riwals verzerrte Stimme, die fast nicht zu verstehen war, obwohl man merkte, dass er schrie.
    »Warten Sie, Monsieur le Commissaire, warten Sie«, es dauerte ein paar Sekunden, dann war Riwal zurück, »Monsieur le Commissaire, ich bin ein bisschen näher an die Felsen ran, aber das hilft auch nichts. Der Wind kommt vom Meer. Ich werde zum Wagen gehen.«
    Riwal hatte aufgelegt, bevor Dupin etwas sagen konnte.
    Dupin blickte durch die großen Fenster der Bar in die Richtung, in der Riwal bei gutem Wetter jetzt zu sehen gewesen wäre. Es war noch dunkler geworden, das Wasser rann die Scheiben in langen Schlieren herunter.
    Der café war wunderbar. Wäre da nicht diese Tragödie, dieses brutale Verbrechen, dieser ganze Fall, es wäre urgemütlich gewesen, hier im Trockenen und Warmen, während draußen der Sturm tobte. Aber gerade hatte er keinen Sinn dafür. Es dauerte viel länger als Dupin erwartet hatte, bis Riwal zurückrief. Dieses Mal war er klar und deutlich zu verstehen.
    »Ich sitze im Auto.

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