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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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werda?«
    »Frauen sind so«, flüsterte ich. »Wenn die Bedienung vor ihnen steht, sagen sie, dass sie noch einen klitzekleinen Moment brauchen, obwohl sie seit zehn Minuten verzweifelt auf die Karte starren. Weil die Bedienung ungeduldig wird, bestellen sie eine Pizza ›Vier Jahreszeiten‹. Wenn die Bedienung weggeht, rufen sie ihr hektisch hinterher: ›Warten Sie, ich will doch lieber eine Pizza ›Calzone‹! Während sie auf das Essen warten, überlegen sie die ganze Zeit, ob eine Pizza ›Funghi‹ nicht besser gewesen wäre. Wenn der Kellner dann die ›Calzone‹ bringt, schauen sie neidisch auf die Pizza ›Artischocke‹ am Nebentisch. Mit den Männern ist das ähnlich. Jeder hat einen anderen Belag, und man fragt sich permanent, welcher am leckersten ist.«
    Wir waren am Frauenkopf und Harald gab Gas. Ich wurde in meinen Sitz gedrückt. Mir fiel ein, dass ich gerade eine Pizza namens Simon versetzte.
    »On jetz bisch so lang drhoim ghockt on hosch dr iber de Belag de Kopf zerbrocha? Mädle, Mädle! Dann hoffa mr amol, du guggsch net auf die Pizza ›Funghi‹, wenn’s jetz mit derer ›Calzone‹ no glabbd. On wenn’s net glabbd, noo musch di halt mit dr ›Vier Jahreszeite‹ zfriedegäba.«
    »Bitte, sag doch nicht so was«, flüsterte ich.
    Was würde ich denn überhaupt machen, wenn ich Leon noch rechtzeitig erwischte? Ich musste die Zeit im Auto nutzen, um mir etwas zurechtzulegen. »Ich liebe dich« war ja wohl ein bisschen zu wenig. Da musste schon etwas mehr Poesie her. Glühende Worte, die meine Leidenschaft und mein inneres Feuer beschrieben. Shakespeare oder Pipeline Praetorius? Ein kleines Sonett vielleicht? Lieber was Eigenes. Das war persönlicher. Schließlich war ich eine belesene Intellektuelle und konnte selbst etwas zusammenstellen. Ich schloss die Augen, kämpfte gegen die Panik und konzentrierte mich: »Leon, weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab? Seit aus Menschenaffen Menschen wurden, gab es keine Frau, die einen Mann mehr geliebt hat. Meine Liebe reicht von Stuttgart über Obertürkheim bis nach Esslingen-Zell. Du bist meine dritte Kugel Schokoeis, auf meinen Pommes das Rot-Weiß, die Kohle auf meinem Grill, das Wasser unter meinem Kiel, Salami fett auf meinem Laugenweck. Ich geh mit dir, wohin du willst, Hand in Hand, nach Wuxi oder nach Schwieberdingen …« Hmm. War das übertrieben? Zu poetisch? Zu viel Essen? Nein. Es war der Dramatik der Situation angemessen.
    Ich flog nach vorne. Haralds Vollbremsung katapultierte mich zurück in die Realität. Zwei Zentimeter vor uns war eine Stoßstange.
    »Mischd, mit Clogs kosch oifach net gscheid bremsa!«, sagte Harald und beschleunigte wieder. »Sag amol, Line, wo fliegt der Kerle iberhaubd ab on wo noo?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    »On wie willsch en noo fenda?«
    »Äh, da wollte ich mich auf meine Inspiration verlassen«, sagte ich und merkte, wie eine erneute Panikwelle über mir zusammenschlug.
    Harald langte in die Tasche seines Kittels und warf mir ein Handy auf den Schoß. »I glaub, der Schduagerder Flughafa isch a bissle z’ groß fir Inschbiratio. Vielleicht probiersch’s lieber em Indernet«, sagte er. »Mir sen glei do.«
    »Wie soll ich das denn jetzt rauskriegen?«, sagte ich verzweifelt.
    »Musch halt Flug Schduagerd–Wuschi guhgla«, sagte Harald.
    Mit zitternden Fingern tippte ich auf dem Handy herum und versuchte, die Informationen auf dem kleinen Display zu entziffern. »Die meisten Flüge nach Wuxi scheinen über Amsterdam zu gehen«, rief ich aufgeregt.
    »No guggsch jetz, was in der nägschde Schdond vo Schduagerd abfliegd«, sagte Harald.
    Ich ging auf die Homepage des Flughafens. »Amsterdam, 14 Uhr 35! Das muss es sein. Terminal drei, Check-in-Schalter 326!« Ich sah auf die Uhr. 13 Uhr 40. Die nächste Panikwelle erfasste mich, donnerte mich an den Strand und nahm mir den Atem.
    Wenige Minuten später hielt Harald mit quietschenden Bremsen vor Terminal drei. »I gang parka! Sau, Mädle, sau!«
    Ich holte tief Luft, sprang aus dem Auto und hinein in die Drehtür. Die bewegte sich leider im Schneckentempo und entließ mich erst nach einer gefühlten Ewigkeit auf der anderen Seite. Ich spurtete die Rolltreppe hoch und gelangte in die Abflughalle. Auf einer großen Tafel standen die Abflüge. Ich war so aufgeregt, dass die Buchstaben vor meinen Augen verschwammen. Da! Amsterdam, 14.35, planmäßig. Konnte das blöde Ding nicht verspätet sein? Und wo war der Schalter?
    Ich rannte.

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