Brezeltango
Balkonen gab, saßen auch vor den anderen Häuschen Menschen im Schein von Lampions oder Windlichtern und unterhielten sich halblaut. Gelächter wehte herüber. Irgendjemand spielte Gitarre.
»Ist das nicht schön?«, sagte ich und seufzte zufrieden.
Schade, dass wir keine Hollywoodschaukel hatten. Oder ein weißes Lounge-Sofa zum Draufrumlümmeln, wie sie jetzt überall vor den Szene-Kneipen in der Stadt standen. Auf den klapprigen Stühlen war es nicht wirklich romantisch. Aber endlich konnte ich mich entspannen, nach dem schrecklichen gestrigen Tag, und musste an gar nichts mehr denken ... Ich nahm einen kräftigen Schluck Wein und schluckte nur die Hälfte hinunter ... Mit verführerischen Bewegungen rückte ich näher an Leon heran ... Erst ein bisschen Zungenknutschen, mit dem Wein im Mund, dann ein bisschen fummeln ...
»Sehr schön«, sagte Leon. »Jetzt können wir in aller Ruhe unser Wochenende planen.« Er zückte sein Smartphone und einen Touchpen.
Ich fuhr alarmiert zurück, verschluckte mich am Wein und bekam einen Hustenanfall. »Heute schon? Wir haben doch erst Dienstag!«, protestierte ich. Ich musste mich erst noch vom Montag erholen. Außerdem war ich nicht so der planende Typ. Ich war mehr fürs Spontane, während Leon es liebte, Pläne zu schmieden, so viel hatte ich schon mitbekommen. »Weißt du, Leon, über dem Schreibtisch in meinem Jugendzimmer hing jahrelang eine Postkarte. Auf der war ein kleiner Junge mit Wollpulli und Pudelmütze abgebildet, der hatte die Hände in den Taschen vergraben, und daneben stand: »Du fragst mich, was soll ich tun? Und ich sage: Lebe wild und gefährlich, Artur.« Ich hab die Karte zwar nie so richtig kapiert, aber findest du nicht auch, dass wir wild und gefährlich leben sollten?«
»Ich finde, es reicht, dass du gefährlich lebst. Hast du ja grade erst wieder bewiesen. Ich bin der perfekte Ausgleich für dich. Außerdem ist das Wochenende ziemlich kurz, weil ich ja am Sonntagmorgen schon zum Mountainbiken fahre. Wir sollten es also ausnutzen.«
»Du bist doch nur ein paar Tage weg«, sagte ich.
»Pfui Line, falscher Text! Du hättest jetzt sagen müssen: ›Oh, wie soll ich das bloß aushalten, eine ganze Woche ohne dich?‹ – Schwimmst du eigentlich gern?«
»Keine Ahnung. Ich gehe nur so ein, zwei Mal im Jahr ins Schwimmbad, meist, weil der Duschabfluss verstopft ist.«
»Wir waren noch nie zusammen schwimmen.«
»Aber wir waren doch schon gemeinsam im Heslacher Hallenbad«, platzte ich heraus.
Leon musterte mich erstaunt. »Ich war ganz sicher noch nie mit dir im Hallenbad.«
Ich wurde puterrot. Lange bevor wir ein Paar wurden, war ich im Traum mit Leon im Hallenbad gewesen, aber das konnte ich ihm ja wohl schlecht auf die Nase binden.
»Also, am Freitagnachmittag, wenn ich von Bosch komme, könnten wir ins Leuze. Das ist viel schöner als ein normales Freibad, in dem Mineralwasser schwimmt es sich so herrlich. Und am Samstagabend haben wir eine Einladung zum Grillen nach Schwieberdingen, zu einem Arbeitskollegen, der ganz nett ist. Wir spielen Fußball zusammen. Seine Frau kenne ich auch. Hast du Lust?«
Ich war jetzt ein Paar. War das nicht großartig? Plötzlich bekam ich Einladungen von wildfremden Menschen! Okay, es waren zwar nur Ingenieure und ihre Gattinnen und keine Künstler und Intellektuellen, aber trotzdem. Ich hatte plötzlich ein gesellschaftliches Leben, das nicht mehr nur daraus bestand, mit Lila Rosamunde Pilcher zu schauen. Lila. Apropos.
»Natürlich habe ich Lust. Vielleicht will Lila ja auch mitkommen?«
Leon musterte mich belustigt. »Line, eigentlich ist Lila nicht eingeladen.«
»Aber ich verbringe meinen Samstagabend seit Jahren mit Lila!«
»Ich glaube, die beiden fänden es trotzdem ein bisschen komisch, wenn du sie mitbringen würdest.«
Ich starrte Leon entsetzt an. Dass das Paarsein solche Schattenseiten hatte, zumindest wenn man keine Anfang zwanzig mehr war, war mir nie in den Sinn gekommen. An der Uni in der Zeit mit Dieter waren wir immer eine Clique gewesen und hatten alles gemeinsam unternommen. Es war nie ein Problem gewesen, irgendjemanden irgendwohin mitzunehmen. »Aber Babys werden doch auch auf Grillfeten mitgenommen!«
»Lila ist vielleicht doch ein bisschen groß, um als Baby durchzugehen«, sagte Leon trocken.
2 Wer bei einem schwäbischen Metzger Würstchen für Linsen und Spätzle kaufen möchte, ohne aufzufallen, sollte tunlichst die Begriffe »Frankfurter« oder »Wienerle«
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