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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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wurde sichtlich verlegen. »Na ja, es ist nur ... Ich hätte nicht geglaubt, dass es wirklich Leute gibt, die die taz lesen ... Ich dachte, das ist mehr so ein Ausstellungsstück am Kiosk ... oder im Haus der Geschichte in Bonn ...«
    Lila musterte Leon mit gerunzelter Stirn. »Leon«, sagte sie empört, »es gibt tatsächlich echte Menschen, die die taz lesen. Menschen wie ich, die finden, dass die soziale Gerechtigkeit in unserem Land den Bach runtergeht, und denen auffällt, dass trotz Wirtschaftskrise die Autos, Hunde, Mülleimer und Gartengeräte in Deutschland schöner wohnen als viele Menschen in Afrika. Die gleichen Menschen übrigens, die bei keiner Demo gegen Stuttgart 21 fehlen. Aber du stammst vermutlich aus einem CDU-geprägten Milieu.«
    Leon war bei Lilas feuriger Rede immer kleiner geworden. »Meine Eltern sind mit Helmut und Loki befreundet«, sagte er. »Die haben schon immer SPD gewählt.«
    Lila grinste. »Na gut, lassen wir das. Jetzt fange ich an zu kochen. Du kannst das Gemüse für den Auflauf kleinschneiden und Line darf sich erholen und erzählt uns jetzt endlich ausführlich ihre Geschichte.«
    Das tat ich. Während ich haarklein berichtete, was mir zugestoßen war, bereiteten Lila und Leon schweigend das Essen vor, nur ab und zu gab Lila ihrem Hilfskoch eine knappe Anweisung.
    Als ich fertig war, legte Leon die Arme von hinten um mich, ohne mich mit seinen karottenroten Händen zu berühren. »Arme Line. Wenn du mich nur früher angerufen hättest oder mir am Telefon erzählt hättest, wo du bist, ich hätte doch sofort meinen Schimmel gesattelt, wäre zum Polizeipräsidium geritten und hätte dich befreit. So ein bisschen scheinst du die Katastrophen aber auch anzuziehen, oder?«
    Ich warf Lila einen alarmierten Blick zu. Warum benutzte Leon ausgerechnet dieses Wort? Hatte Lila ihm heimlich vom Katastrophen-Gen erzählt? Eigentlich war sie keine Tratschtante.
    »Das war Zufall. Ab-so-lu-ter Zufall. Zur falschen Zeit am falschen Ort mit dem falschen Typ zusammengetroffen. Und eigentlich wollte ich ja nur helfen.« Ich seufzte. »Sicher könnt ihr morgen alles noch mal detailliert in der Zeitung nachlesen.«
    »Mach dir keinen Kopf«, sagte Leon. »Die Presse wird sich genüsslich auf den Bundestagskandidaten stürzen.« Er küsste mich in den Nacken.
    »Genug geschmust, Küchenjunge, Hände waschen und Tisch decken!«, befahl Lila streng.
    Brav stellte Leon drei Teller aus Lilas kunterbunter Sammlung auf den Tisch und kramte nach Besteck. »Ach, das hätt’ ich ja fast vergessen. Dorle hat gestern Abend angerufen, bevor ich zum Kino los bin. Sie lässt ausrichten, wenn du nächste Woche Strohwitwe bist, sollst du sie doch mal besuchen. Jeden Abend außer Mittwoch, da ist Theaterprobe vom Obst- und Gartenbauverein, und am Freitagnachmittag geht es auch nicht, da werden im Frauenkreis Strohsterne für den Weihnachtsbasar gebastelt. Hat mich zwar ein bisschen gewundert, so mitten im Hochsommer. Dann hat sie noch was gesagt, was ich nicht verstanden habe, aber weil ich nicht schon wieder ein ›Schwäbisch mangelhaft‹ kassieren wollte, hab ich es mir einfach aufgeschrieben.« Leon zog einen zerknautschten Zettel aus der Gesäßtasche seiner Jeans. »Also, du sollst vorher kurz Bescheid geben, ob du gehsa oder ohgehsa kommst.«
    »Gehsa oder ohgehsa?« Ich stutzte.
    Dann prusteten Lila und ich gleichzeitig los, wobei Lilas Lachen sofort in ein leises Heulen überging und sie sich die schmerzende Backe hielt.
    »Ganz einfach: Sie fragt, ob ich mit vollem oder leerem Magen komme, also gegessen oder ungegessen, auf Schwäbisch gässa oder ogässa.«
    Leon sah mich mit großen Augen an. »Interessanter Brauch. Also in Norddeutschland fragt man in der Regel die Gäste nicht vorher, ob man sie bewirten soll, wenn man sie zum Essen einlädt«, sagte er.
    Ich zuckte die Schultern. »Das ist eine rein pragmatische Frage«, erklärte ich. »Und der Schwabe an sich ist nun mal sehr pragmatisch veranlagt und verschleudert ungern Ressourcen. Stell dir vor, du hast Stunden in der Küche verbracht, einen riesigen Topf mit Linsen gekocht, liebevoll Spätzle handgeschabt und Würstchen 2 erwärmt, und dein Gast sagt entschuldigend, er war grad an der Pommesbude. Man will ja schließlich niemanden zum Essen nötigen oder sich unnötige Arbeit aufhalsen! Hmm. Speaking of. Linsen und Spätzle könnte ich mir eigentlich nächste Woche von Dorle zum Essen wünschen.«
    »Bei der Hitze? Ist das nicht ein

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