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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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ich genervt.
    »Weil ich deine Mutter bin«, sagte Olga sanft.
    »Eine Mutter, die sich kaum um uns gekümmert hat«, platzte ich heraus.
    Olga zuckte die Schultern. »Das ist Ansichtssache. In jedem Fall bleibe ich deine Mutter. Und nun gib mir einen Kuss und geh, Dorle wird schon auf dich warten.«
    Ich schloss die Tür zum Bügelzimmer lauter als nötig. Ich kochte innerlich. Was erlaubte sich Olga eigentlich? Nach all den Jahren, in denen wir uns kaum gesehen hatten, vermieste sie mir meine neue Beziehung mit ihrer Oper-Bücher-Nummer und hielt mir Vorträge über das Katastrophen-Gen, als hätte sie es höchstpersönlich erforscht.
    Eine Straße weiter fühlte ich mich deutlich besser. Dorle hatte wegen der Hitze statt Linsen und Spätzle Maultaschen in der Brühe und Kartoffelsalat gemacht. Natürlich waren die Maultaschen aus eigener Produktion. Dorle kaufte nicht mal Dosen, von Fertigprodukten ganz zu schweigen. Sie war der Meinung, der liebe Gott habe ihr zwei fleißige Hände gegeben, um sie zu benutzen, diskutierte nicht über ihr fortgeschrittenes Alter oder
work-life balance
und verbrachte den Tag mit Haus- und Gartenarbeit, Kochen und Backen. Die übrige Zeit füllte sie mit guten Werken und besuchte beispielsweise »alte Leit« im Altersheim. Sonntags ging sie erst in die Kirche und dann »in d’ Stond«.
    Ich hatte fünf Maultaschen gegessen und mit Schaudern zugesehen, wie Dorle ihren Kartoffelsalat in die Brühe klatschte, so, wie sie es schon ihr ganzes Leben gemacht hatte. Immerhin hatte sie mir für den Salat einen Extrateller zugestanden. Nach dem Essen machten wir es uns vor dem Hutzelhäuschen auf dem Bänkchen unter dem wilden Wein gemütlich. Es war ein warmer Sommerabend, dem die Schwüle der Landeshauptstadt fehlte. Ein paar Minuten saßen wir still nebeneinander und lauschten der Amsel. Schon als Kind hatte ich diesen Platz geliebt. Zufrieden rieb ich meinen vollgefutterten Bauch und nahm einen Schluck von Dorles selbst gemachtem Träublessaft.
    Dorle deutete auf mein nacktes Knie, auf dem sich blaugrüne Flecken abzeichneten. »Als Kend hosch du au emmr so ausgsäh. Ond, isch älles en Ordnong mit eich jonge Leit? Oder muss i mir Sorga macha, weil dr Leon ohne di en Urlaub fahrd?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Als Leon die Radreise gebucht hat, waren wir noch gar nicht zusammen.«
    Natürlich wäre ich viel lieber mit Leon in ein Wellness-Hotel auf die Kanaren geflogen, anstatt ihn alleine in den Schwarzwald abzwitschern zu lassen. Er hatte mich zwar gefragt, ob ich nicht mitkommen wolle, Mountainbiken war aber aus meiner Sicht ein reiner Sport für Männer. Morgens zwängten sie sich in hautenge Funktionsklamotten, die zwar Taschen für isotonische Drinks, aber nicht für ein vernünftiges Vesper hatten. Dann jagten sie den ganzen Tag auf Waldwegen hintereinander her, erschreckten arglose Spaziergänger und bemühten sich, so viele Schlammspritzer wie möglich als Trophäen nach Hause zu tragen. Abends rieben sie sich dann heimlich den schmerzenden Hintern und erzählten sich gegenseitig noch einmal haarklein, was sie gemeinsam erlebt hatten. Darauf konnte ich verzichten. Bestimmt war keine einzige Frau in der Gruppe. Außerdem war meine Kondition viel zu schlecht.
    »Es geht uns gut, Dorle, wirklich.«
    Die Zweifel der letzten Tage würde ich lieber für mich behalten. Ich wollte Dorle nicht beunruhigen. Außerdem wurde es langsam Zeit, dass ich erwachsen wurde und lernte, meine Probleme ohne Dorle zu lösen.
    »Noo isch rechd. Den Kerle derfsch nemme saua 8 lassa. Den sodsch so bald wie meglich heirada. I däd au fir eich backa.«
    Das war eine Steilvorlage, die ich nutzen musste. »Dorle, wo du schon vom Heiraten anfängst ... Warum heiratet ihr nicht so schnell wie möglich, du und der Karle? Ich meine, natürlich wünschen wir euch alle noch ein langes Leben, aber, selbst wenn, also ...« Ich hatte mich hoffnungslos verheddert.
    »I woiß scho, was du moinsch. Aber komm du erschd amol en mei Aldr. Do bisch koi Hudlwisch 9 mee. Doo musch z’ ällererschd iberlege, wo d’ feira willsch. On welchr Pfarrer d’ Kirch halta soll. Net dass am End oinr beleidigd isch. On wen mr älles eilade will. Hersch nach de Bäsla on Veddra uff odr net.«
    Die Antwort klang halbherzig und gar nicht nach Dorle. Sie war eigentlich mehr der zupackende Typ. Sie schien mir anzusehen, dass ich ihr nicht so recht glaubte.
    »On noo gibt’s halt nomol an Grond.« Sie machte eine Pause. »Also eigentlich

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