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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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isch’s dr Karle, der warda will.«
    Hatte ich es mir doch gedacht! War er sich seiner Sache nicht mehr sicher? Das wäre ein herber Schlag für Dorle. Schließlich hatte sie die Verlobung an ihrem Achtzigsten vor der kompletten Geburtstagsgesellschaft verkündet. Wollte der Karle jetzt einfach die Zeit aussitzen, bis einer von ihnen starb? Ich sah Dorle erwartungsvoll an.
    Sie räusperte sich. »Also, der wirkliche Grond isch, dass dr Karle d’ CMT abwarda will.«
    »Die CMT?« Ich starrte Dorle ungläubig an. »Diese komische Tourimesse? Es tut mir leid, Dande Dorle, aber da komme ich nicht mit. Was hat die CMT mit eurer Hochzeit zu tun?«
    »Also, der Karle will uff d’ CMT on dort Onderlaga bsorga fir d’ Hochzeitsreis.«
    Ich stöhnte. »Dorle, im Zeitalter von Internet kann man sich jederzeit informieren oder Unterlagen schicken lassen. Ich gehe auch gerne mal mit euch beiden ins Reisebüro, wenn ihr Hilfe braucht.«
    »Koi Sorg«, sagte Dorle würdevoll. »Des machd dr Karle scho. Do brauchd der koi Hilf net. Aber mir missed halt de Januar abwarda. On noo fahrad mir mit dr S-Bah nuff uff d’ Filder on nehmad ons an ganze Dag Zeit dafir. Doo frai i mi scho druff. On noo hole mr Broschbägdle ond schdudiered die drhoim en äller Ruh. On noo, wammr wissad, mo mr nofahrad on wann, noo kenna mr da Hochzeitstermin asetza. Dr Karle däd gern nach Kanada on mit em Wohmobil romfahre. Do sott’s scho warm sei, also wird des Sommr. Odr hald so ebbes en die Richdong.«
    Ich räusperte mich. »Kanada ... äh ja, schön. Meinst du nicht ... ähem ... dafür solltet ihr vielleicht ... nur so ein paar Jährchen jünger sein?«
    Dorle sah mich entrüstet an und stemmte die Hände in die Seiten. »Ha, worom? I gher no lang net zom alde Eisa, au wenn die Leit om me rom emmr jenger werdad! Erschd neilich isch oiner en dr Stroßaboh fir mi uffgschdanda, dem han i ebbes verzehld! Ond em Stadtmuseum hen se mr fuffzig Cent Ermäßigong gäba wella, weil i ibr femfasechzig ben! Do hert sich doch älles uff! Ond ob ich jetzt drhoim uff meim Herd koch odr en so me Wohmobil, des isch doch koi großer Onderschied!«
    Ich stellte mir Dorle und Karle auf einem Campingplatz in einem Nationalpark in Kanada vor. Vor meinem inneren Auge tauchte ein neugieriger Bär auf, vom Geruch nach Dorles fabelhaftem Zwiebelrostbraten angelockt. Dorle briet ihm mit der Pfanne resolut eins über, und der Bär verschwand unter lautem Gebrüll im kanadischen Busch.
    »On wehe, du verzehlsch des ebbr!«
    Ich stöhnte. Karle und Dorle machten also das Datum ihrer Hochzeit abhängig von der CMT! Die CMT war eine gigantische Urlaubsmesse, die vor allem von zahlungskräftigen Rentnern besucht wurde, die frühmorgens vierreihig auf den Bahnsteigen warteten, um dann frohgemut erst die S-Bahn und dann die Messehallen von Leinfelden-Echterdingen zu stürmen. Viele kamen in Fleecejacken, Zipphosen und Trekkingschuhen, als ob sie den Reiseveranstaltern damit beweisen wollten, dass sie fit und reisetauglich waren. Sie beklatschten argentinische Tangotänzer und drittklassige italienische Tenöre und knufften sich um holländische Käsehäppchen, die von Frau-Antje-Kopien verteilt wurden. Die Frauen packten dann im Picknickbereich ihr Vesper aus, während die Männer stundenlang beim Geländewagentest anstanden, um herzklopfend über Steilrampen zu fahren. Als Beifahrer natürlich.
    Ich war einmal dort gewesen. Ich konnte mich nur an wunde Füße, schwere Taschen und den ägyptischen Stand erinnern, an dem das Standpersonal in regelmäßigen Abständen in einem riesigen Tutanchamun-Kopf verschwand, um weiteres Prospektmaterial heranzuschleppen, das ihm sofort aus der Hand gerissen wurde, während ein Mann, der gekleidet war wie Ramses II., billige Goldketten verhökerte.
    »Dorle, dann dauert es ja fast noch ein Jahr bis zu eurer Hochzeit!«
    »I ka’s net ändra. Woisch, wichdig isch en meim Aldr, dass, wenn d’ obends dei Sach gschafft hosch on uff ’m Bänkle hocksch, oinr näba dr hockt zom Schwätza. Des hot mr scho gfähld, äll die Johr.«
    Da hast du’s, Line, meldete sich mein schlechtes Gewissen. Sie hat sich nie beklagt. Aber wie oft hast du sie eigentlich besucht?
    »Vorledschde Sonndich, noch dr Kirch, semmr uff d’ Reidlenger Alb gfahra. On mitta en dr Wacholderheid isch a Bänkle gwä. On doo hemmr ons druffgsetzt, dr Karle on i, on dr Karle hot sein Arm om mi glegt on mir hen eidrächdig iber onser Land guckt, des dr Herrgott so arg schee gmacht

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