Brezeltango
hott. On Schof hott mr ghert. On mir hen ons oguckt on gar nix schwätza missa. Des isch so arg schee gwä.« Dorle sah mich an und ihre Augen glänzten.
Ich schluckte und fragte mich, ob Leon und ich auch eines Tages als Greise auf einer Bank auf der Schwäbischen Alb sitzen und den Schafen lauschen würden.
»Ich muss langsam los«, sagte ich. »Morgen muss ich fit sein. Ich geh noch schnell aufs Klo.«
»Gang net leer 10 en d’ Kich on gang net leer wieder naus«, rief Dorle und drückte mir die Saftflasche in die Hand. »I han no a Guck fir di grichtet.«
Ich brachte die Saftflasche in die Küche und stellte Dorles Wundertüte neben die Tür. Sie war gefüllt mit einem halben Käsekuchen vom Sonntag, einem Strauß Herbstastern aus ihrem Garten und sechs frisch gelegten Eiern von ihren Hennen. Fabelhafte Ausbeute, mit der ich mich in meiner WG sehr beliebt machen würde. Dorles Käskuchen war legendär und sie hielt das Rezept ungefähr so geheim wie Actionfilm-Agenten die Formel für eine Superwaffe. Ich setzte mich aufs Klo und schaltete das Handy ein. Wie schön, da war eine Nachricht! Und nicht nur das, auch ein Foto, auf dem ein grinsender Leon mit Schlammspritzern im Gesicht fröhlich in die Kamera winkte.
»Schau mal, ein Foto von Leon!« Stolz streckte ich Dorle das Handy hin.
»Uff ’m Delefo?«, staunte Dorle, setzte umständlich ihre Brille auf und blickte angestrengt auf das Display. »On wer isch die Frau?«
»Welche Frau?«
Dorle deutete auf eine Person im Hintergrund des Bildes, die ich nicht weiter beachtet hatte. Tatsächlich. Es war also doch keine reine Männergruppe. Hmm. Kannte ich die Frau nicht von irgendwoher? Dieses total arrogante Lächeln, der knallenge Dress, der ihre Sanduhrfigur betonte ... Panik stieg in mir hoch. Das war Yvette! Yvette, die rein zufällig auch Ingenieurin war und irgendwann rein zufällig in der Bosch-Kantine aufgetaucht war, wo sie von Anfang an keinen Zweifel an ihrem ehrgeizigen Ziel gelassen hatte: die Wiedereroberung ihrer Jugendliebe aus Hamburger Zeiten. Mögliche Opfer (also ich) waren dabei kein Hinderungsgrund. Sie hatte schließlich auch bekommen, was sie wollte, wenn auch nur für kurze Zeit. Das war ja wohl das Allerletzte! Wieso war Yvette im Schwarzwald? Und warum hatte mir Leon nichts davon erzählt?
»Du kennsch die Frau«, stellte Dorle sachlich fest. »I sag dr’s, Mädle, heirat liebr heit als morga. Noo bisch uff dr sichra Seit.«
Ich verzichtete darauf, Dorle darauf hinzuweisen, dass Trauscheine heutzutage nicht unbedingt vor Affären schützten, und verabschiedete mich hastig. Dorles sorgenvoller Blick entging mir nicht.
Auf der Heimfahrt fand ich keine Ruhe und lief nervös in der Stadtbahn auf und ab. Yvette wollte unsere Beziehung torpedieren, das war doch sonnenklar! Wahrscheinlich ließ sie sich morgens von Leon den Sattel einstellen, fuhr dann den ganzen Tag powackelnd direkt vor ihm, beeindruckte ihn mit ihrer Supi-Kondition und sagte abends wimpernklappernd und schmolllippig: »Leon, Lieber, würdest du mir mit deinen muskulösen Oberarmen die Reifen aufpumpen?« Das war doch widerlich! Yvette wollte Zickenkrieg? Den konnte sie haben. Kampflos würde ich Leon nicht hergeben! Lila würde Rat wissen. Ich brauchte dringend eine Strategiesitzung mit ihr! Aber heute nicht mehr. Ich musste so schnell wie möglich ins Bett und mein Gedankenkarussell abstellen, damit ich für das Vorstellungsgespräch morgen fit war.
Auf der Schwelle unserer Haustür saß ein sehr kleines Häufchen Elend. Lena warf sich heulend in meine Arme. »Sie hat einen Lover!«
8 »Saua« (Imperativ Sg. »Sau«) hat nichts mit Borstenvieh zu tun, sondern ist schlicht die schwäbische Variante von »(weg)rennen«.
9 Der »Hudlwisch«, seltener »Hudllomba«, kommt im traditionellen schwäbischen Backhäusle zum Einsatz. Der Ofen wird mit Holz angeheizt und muss dann gereinigt werden, bevor das Brot zum Backen in den Ofen kommt. Weil keine Wärme verlorengehen soll, muss man sich beeilen = hudla. Gebräuchlicher dagegen ist »no net hudla«, also bloß kein Stress.
10 »Leer« heißt in diesem Fall nicht etwa innerlich leer
oder mit leerem Magen, sondern »ohne-etwas-in-der-Hand-zu-tragen«.
9. Kapitel
So don’t you dare and try to walk away
,
I’ve got my heart set on our wedding day
,
I’ve got this vision of a girl in white
,
Made my decision that it’s you alright
.
»Woisch, Lena, manchmol machad Erwachsene Sacha, die mr oifach net
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