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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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Lebenszeichen.
    Ich hatte beschlossen, einen superentspannten Sonntagabend vor dem Fernseher zu verbringen, anstatt in Selbstmitleid zu versinken. Schließlich hatte ich seit Donnerstag kein Fernsehen mehr geguckt. Das war mein persönlicher Rekord. Eine Weile stand ich unschlüssig vor dem verschlossenen Putzschrank. Ich versuchte es mit einer Kreditkarte, so, wie man es in Krimis immer sah, aber offensichtlich hatte der dumme Putzschrank noch nie einen Krimi gesehen, obwohl er jetzt seit drei Tagen den blöden Fernseher beherbergte. Als Nächstes popelte ich mit einem Stück Blumendraht im Schloss herum. Ich hatte aber keine Ahnung, was ich da tun musste, und das Schloss zeigte sich völlig unbeeindruckt. Schließlich ging ich hinauf zu Lilas Zimmer, wenn auch mit schlechtem Gewissen. Ich würde nicht in Lilas Sachen herumwühlen. Vorsichtig öffnete ich die Tür und da lag auf dem Fußboden ein großes Stück Papier und mitten drauf der Putzschrankschlüssel. Auf dem Papier stand: »Ich kenn doch meine Pappenheimer!«
    Ich sauste mit dem Schlüssel in der Hand die Treppe hinunter und befreite den Fernseher aus seinem Gefängnis. War es nicht toll, das Häuschen ganz für mich zu haben und auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen? Mit der linken Hand zappte ich zwischen Inga Lindström im ZDF und J. R. Ewing auf Nostalgie-TV hin und her. Mit der rechten Hand überprüfte ich abwechselnd das Handy und das Festnetz-Telefon, weil ich auf eine Nachricht von Leon wartete. Geräte konnten ja schließlich von einer Sekunde auf die andere kaputtgehen.
    Warum meldete sich Leon nicht? Er hatte es doch versprochen! Wahrscheinlich liebte er mich schon nicht mehr. Deshalb hatte er es morgens auch so eilig gehabt. Meine beste Freundin mochte mich auch nicht mehr und würde mir demnächst eröffnen, dass sie das Häuschen für ihr neues Liebesglück benötigte. Ich war der allereinsamste Mensch auf der Welt. Vielleicht sollte ich ein paar Weihnachtskarten schreiben, um mich abzulenken? Es war zwar erst September, aber Lebkuchen standen ja auch schon seit August in den Regalen. Das beste Mittel gegen den Frust war sowieso Essen. Leider war der Kühlschrank gähnend leer. Offensichtlich hatte Lila mit Harald so viele Kalorien verbraucht, dass sie alle Vorräte aufgegessen hatten. Dann verhungerte ich eben! Merkte eh keiner.
    Irgendwann trieb mich der Hunger dann doch aus dem Haus, und mit dem Handy in der Hand radelte ich zum Ostendplatz. Schnell, schnell, bestimmt rief Leon ausgerechnet jetzt auf dem Festnetz an! Ich holte mir eine türkische Pizza, dazu einen Döner, eine Cola und einen Becher Ayran, und verdrückte alles vor dem Fernseher. Immer noch keine Nachricht von Leon. Draußen saßen Menschen und ließen das Wochenende gemütlich ausklingen.
    Vor meinem Fenster sang sich eine Amsel die Seele aus dem Leib. Mitten in der Nacht! »Schnauze«, sagte ich. »Halt einfach die Schnauze, okay?« Ich donnerte das Fenster zu und schlief dann unruhig, weil es viel zu warm im Zimmer war.
    Genug gegrübelt am Montagmorgen, ab in den Tag und tatkräftig ran an die Aufgaben der neuen Woche! Ich lief hinunter, legte das Handy auf den Küchentisch, stellte Wasser für den Kaffee auf und ging ins Bad. Kaum drehte ich den Duschhahn zu, klingelte der Festnetz-Anschluss. So ein Mist! Panisch kletterte ich aus der Badewanne, blieb mit dem linken Bein hängen und donnerte das Knie gegen den Badewannenrand. Nicht dass es auf ein paar blaue Flecken mehr oder weniger noch ankam. Ich packte das nächstbeste Handtuch, es war Lilas, und humpelte tropfend in die Küche.
    »Line, hallo«, rief ich atemlos.
    »Mädle, kannsch di net mit vollem Nama melda, so wie andre Leit au?«, fragte Dorle tadelnd.
    »Du hast dich gar nicht gemeldet«, sagte ich leicht patzig, weil ich wegen Dorle jetzt ein blaues Knie bekommen würde, den Küchenfußboden unter Wasser setzte und viel lieber mit Leon gesprochen hätte.
    »Du woisch doch, wer i ben! I han bloß froga wella, wann du die Woch komma willsch.«
    Wir einigten uns auf Dienstagabend. Das war der Abend vor meinem Vorstellungsgespräch. Prima, das waren nur zwei Tage, an denen ich überhaupt nichts vorhatte und mich deshalb voll und ganz darauf konzentrieren konnte, auf eine SMS von Leon zu warten. Aaaargh! Ich war doch jetzt schon ein Nervenbündel! Vielleicht gab es in der Notaufnahme des Marienhospitals mittlerweile einen Arzt für akute SMS-Fälle? Mit den Spezialgebieten »Vergebliches Warten auf SMS«

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