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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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wieder ein, nur wurden jetzt zur Abwechslung meine Füße zur Seite weggezogen.
    »Äh, tut mir leid«, sagte ich. »Ich sehe nichts.«
    »Das ist es ja gerade!«, rief Tarik enthusiastisch aus. »
Invisible Döner
! Das geht nächstes Jahr auch mit nach Istanbul. Ich bin eingeladen, die in Deutschland lebenden Künstler türkischer Abstammung zu vertreten, wenn Istanbul Kulturhauptstadt ist.«
    Ich sah Tarik ungläubig an. War der Typ völlig verrückt? Er schien es tatsächlich ernst zu meinen. Vielleicht war das so, wie wenn sich jemand für Napoleon hielt, und man durfte es ihm auf keinen Fall ausreden?
    »Sehr beeindruckend«, sagte ich schließlich. »Was passiert eigentlich mit dem Döner im Schaufenster?«
    Tarik zuckte die Schulter. »Der bleibt da. Dreht sich und dreht sich. Immer weiter. Irgendwann wird er verkohlt sein und stinken. Das ist Kunst in vier Dimensionen! Kunst, die nicht statisch ist, sondern sich ständig verändert. Kunst, die vergeht. Vielleicht säge ich auch noch Objekte aus dem Fleisch.«
    »Aha«, sagte ich. »Interessant. Und wieso ausgerechnet Döner?«
    »Der Döner als Symbol türkischer Einwanderung in Deutschland. Verfremdet. Reduziert. Topos. Klischee. Symbol der Begegnung. Am Dönerstand gibt’s keine Klassenunterschiede.«
    »Verstehe«, sagte ich. »So ein bisschen currywurstmäßig. Trotzdem schade, dass man die Installation nicht essen darf.«
    »Du bist wirklich süß. Ich könnte dich als Muse gebrauchen. Du hast so einen erfrischend unakademischen Zugang zur Kunst.«
    »Als Muse?«
    War das jetzt ein Jobangebot? Voll- oder Teilzeit? Konnte man damit Geld verdienen? Irgendwie hatte ich Zweifel, dass sich das mit meiner Tätigkeit als Freundin von Leon vereinbaren ließ.
    »Ich bin leider in festen Händen«, sagte ich stolz. Schon seit Jahren hatte ich mir gewünscht, einmal diesen Satz sagen zu können!
    Tarik sah mich an und schüttelte ungeduldig den Kopf. »Das hast du völlig falsch verstanden«, sagte er. »Musen sind rein platonisch. Sie inspirieren den Künstler auf einer rein abstrakten, geistigen Ebene. Außerdem bist du überhaupt nicht mein Typ.« Sein Blick blieb auf meinem nicht vorhandenen Busen hängen.
    Ich seufzte erleichtert. Als Tariks Muse wäre mein Seelenfrieden also nicht gefährdet. Ein gewisses Restrisiko würde jedoch bleiben. War Camille Claudel nicht im Irrenhaus gelandet? Andererseits hatte ich mein letztes Bild im Kindergarten gemalt, es gab also keine Kunst von mir, die Tarik als die seine ausgeben konnte.
    »Gibt’s hier nicht eine ziemlich große Musenauswahl?«
    Die kichernden Mädchen verfolgten jeden Schritt von uns, was angesichts des knappen Raumangebots nicht wirklich schwierig war. Sie sahen aus, als ob sie sofort in Ohnmacht fallen würden, sollten sie ein Angebot als Muse erhalten.
    »Ach, meine Studentinnen aus dem Grundstudium«, sagte Tarik verächtlich. »Die langweilen mich. Groupie-Einheitsbrei.«
    Vielleicht war das ja die Lösung? Kein Mann konnte die Bedürfnisse einer Frau komplett befriedigen, das wusste man ja, vor allem, wenn sie so komplex war wie ich. Wenn ich Tariks Muse wurde, rein platonisch natürlich, würde die kreative Seite in mir zu ihrem Recht kommen. Dann musste ich mich nicht ständig fragen, ob Leon zu mir passte! Tarik für die wildgefährlichen, Leon für die emotional stabilen Momente im Leben. Zersägter Döner einerseits und Einfamilienhaus andererseits. Das war schlichtweg genial!
    »Was muss man denn da so machen, als Muse?«, fragte ich.
    Tarik grinste. »Das erkläre ich dir gerne«, sagte er. »Aber nicht hier. Komm mit.«
    O je.

13. Kapitel
    La noche que me quieras
    desde el azul del cielo
,
    las estrellas celosas
    nos mirarán pasar
    y un rayo misterioso
    hará nido en tu pelo
    luciérnaga curiosa
    que verá ... que eres mi consuelo
.
    »Wohin fahren wir?«, fragte ich.
    Ein paar Meter oberhalb der Galerie stand ein schwarzer Mercedes auf dem Gehweg. Tarik hielt erst seiner Mutter und dann mir die Autotür auf. Hinten war zwischen zwei riesigen Lautsprechern nicht besonders viel Platz.
    »Zuallererst bringen wir meine Mutter nach Hause«, sagte er. »Und dann gehen wir tanzen.«
    Wenn das mein Musen-Job war, hatte ich nichts dagegen. Ich war schon ewig nicht mehr richtig tanzen gewesen. Vielleicht entführte mich Tarik in eine Türken-Disco und stellte mich dort seinen gut aussehenden Kumpels vor? Alle würden mit mir tanzen wollen. Hurra! Endlich mal wieder richtig abhotten!
    Tarik

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