Brezeltango
gschwätzt! Ihr Jonge, ihr rennad ällaweil voanandr drvo! Hosch du scho mit deim Leon gschwätzt?«
»Keine Sorge, wir sind ... äh ... in regem Austausch«, sagte ich hastig. »Er kommt ja bald zurück.« Ich hatte keine Lust, Dorles Aufmerksamkeit von Katharinas Ehe auf meine Beziehung zu lenken.
Nach den anstrengenden Telefonaten war ich erledigt. Ich verdiente eine Belohnung! Es war so ein herrlicher Septembertag, die drückende Hitze war aus der Stadt gewichen, und Leons blöde Geranien würden doch wohl noch ein paar Stunden überstehen. Ich machte mir vier Salamibrote, packte drei Bücher, zwei Dosen Cola und eine Packung Gummibärchen ein und marschierte hinunter in den Schlosspark und wieder hinauf zum Schloss Rosenstein. Dort hängte ich meine Füße in den Brunnen, lauschte dem beruhigenden Plätschern der Fontäne und verbrachte die nächsten Stunden mit Lesen, Essen und Dösen. Herrlich! Ich hatte beschlossen, die diffuse Bedrohung meiner Beziehung durch Exfreundinnen mit knackigen Pos komplett zu verdrängen, auch wenn Haralds nüchterne Sichtweise auf seine Geschlechtsgenossen nicht gerade beruhigend war.
Erst gegen Abend machte ich mich auf in die Reinsburgstraße und nahm mir viel Zeit für Leons Geranien. Weil Lila immer sagte, dass man mit Blumen sprechen sollte, erzählte ich ihnen das Märchen vom Froschkönig. Danach goss ich kräftig und zupfte die vertrockneten Blüten ab. Leider blieb hinterher nicht mehr allzu viel Geranie übrig. Zwei Stockwerke tiefer ging das Fenster auf und Herr Tellerle streckte wütend den Kopf heraus, weil es auf den Bierkasten auf seinem Balkon tropfte. Ich machte, dass ich wieder in die Wohnung kam, ehe er mich sah. Bevor ich ging, schüttelte ich im Schlafzimmer die Decke auf, zupfte die Kissen zurecht und malte mir das Wiedersehen mit Leon aus. Er würde zur Tür hereinkommen, verschwitzt, die blonden Haare allerliebst verstrubbelt, Kettenschmiere im Gesicht und auf den Händen, in seinem knallengen Fahrraddress, ein echter Kerl eben, und ich würde ihn nicht erst zum Duschen schicken ...
Ich lief die Reinsburgstraße hinunter. Plötzlich stieg mir ein wunderbarer Geruch in die Nase. Ich blieb stehen und schnupperte. Döner! Es gab keinen Zweifel. Seit wann gab es in der Reinsburgstraße einen Dönerstand? Der Duft kam von der anderen Straßenseite. Tatsächlich. In einem Fenster drehte sich ein Dönerspieß, neben dem ein großes Messer und eine Schaufel für das heruntergeschabte Fleisch lagen. Das Fleisch roch nicht nur köstlich, es sah auch köstlich aus.
War hier nicht bis vor kurzem eine Galerie gewesen? Die war bestimmt der Wirtschaftskrise zum Opfer gefallen. Jetzt hing an der Tür ein improvisiertes Schild, darauf war »Dönerwelt« gekritzelt. Vermutlich eine neue Kette. Mein Magen knurrte. Lila hatte angekündigt, den Abend bei Harald verbringen zu wollen. Ich würde also zu Hause sowieso nichts zu essen bekommen. Das passte ja prima! Außerdem gehörte Döner nicht einmal in die Kategorie Fast Food, sondern war mit der vielen Rohkost und dem Knoblauch total gesund.
Leider war niemand zu sehen, der den Dönerspieß bediente. Weiter hinten im Raum drängelte sich eine Menge Leute. Vielleicht war heute Neueröffnung und es gab noch Anlaufschwierigkeiten? Ein blasses Mädchen mit einem roten Schottenrock über der abgeschnittenen Jeans und bunt bemalten Clogs an den Füßen kam aus der Tür.
»Hallo«, sagte ich, »du weißt nicht zufällig, ob man hier einen Döner kriegen kann?«
Das Mädchen sah mich einen Augenblick verblüfft an, brach in wieherndes Gelächter aus, öffnete die Tür und brüllte: »Tarik! Da will jemand einen Döner! Mit alles und scharf!«
Die Leute in dem Laden brachen in kollektives Johlen aus. Eine große, breite Gestalt löste sich aus der Menge und kam auf mich zu. Alles an diesem Mann war dunkel – die Haare, die erst sehr weit oben in der Stirn ansetzten und ziemlich wirr um seinen Kopf herumhingen, die Augen, das schwarze T-Shirt, die Jeans und die auf Hochglanz gewienerten schwarzen Halbschuhe. Obwohl die Klamotten schlicht waren, sah sogar ich, dass sie aus einer Edelboutique stammen mussten. »Dankbars Schdöffle«, wäre Dorles Kommentar gewesen. Da, wo das T-Shirt aufhörte, war ein Granatapfel in den rechten muskulösen Oberarm eintätowiert. Die Handgelenke waren mit unzähligen Lederbändchen umwickelt.
Er stand jetzt vor mir, kniff die Augen zusammen und musterte mich. Wow. Der Kerl war nicht wirklich
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