Brezeltango
war sie Spionin. Industriespionage.«
Das mit der Spionage war frei erfunden, aber mir war angesichts der äußeren Umstände nach einem bisschen mehr »Drama, Baby« zumute. »Und du, wie heißt du?«
»Jonathan. Meine Freunde nennen mich John-Boy.«
Nein, wie süß! Leider wurden wir in unserem netten Wie-heiß-ich-wie-heißt-Du, dessen logische Folge eigentlich Was-machst-du-was-mach-Ich und anschließend Sollen-wir-nichtmal-zusammen-was-trinken-Gehen gewesen wäre, von einem unangenehmen Geräusch unterbrochen. Tatütata, vielstimmig. Das war nicht nur
ein
Streifenwagen.
»Verdammter Mist«, zischte John-Boy und fiel in Schweinsgalopp.
Ich rannte hinter ihm her. Nun war es schon deutlich schwieriger, entspannt in alle Richtungen zu lächeln. Das Baby hingegen schien sich an dem flotten Tempo nicht zu stören und begann sogar, fröhlich zu gurren.
An der nächsten Kreuzung legte John-Boy eine Vollbremsung hin. »Gleich rechts ist das Polizeirevier. Wir spurten jetzt über die Kreuzung und rein in den Kurpark.«
»Das ist doch viel zu riskant«, jammerte ich.
»Nein, im Gegenteil. Alter Indianertrick. Das beste Versteck der Rothäute ist direkt vor der Nase der Bleichgesichter. Sobald alle Streifenwagen weg sind, stellen wir das Kind vor dem Revier ab und verduften.«
Das klang ziemlich schlau. Ich hatte früher nicht Indianer, sondern Doktorspiele gespielt und konnte deshalb nicht viel beitragen.
»Kannst du mal gucken, ob die Luft rein ist?«
Typisch John-Boy, den riskanten Job abzudrücken. Ich presste das Kind an mich und spähte vorsichtig um die Ecke. Zwei Beamte sprangen gerade in ein Polizeiauto. Ich zuckte zurück. Das Auto fuhr mit Blaulicht in die andere Richtung. Ich pirschte mich wieder näher heran.
»Die Bleichgesichter sind weg«, flüsterte ich.
Wir trabten über die Kreuzung direkt in den Kurpark hinein und stießen auf ein paar Bänke, die im rechten Winkel zueinander standen. Hohe Büsche würden uns vor neugierigen Blicken schützen. Perfekt! Wir ließen uns erleichtert auf einer Bank nieder, die mit dem Rücken zum Polizeirevier zeigte und von der aus man eine Art Gewächshaus sehen konnte. Ich legte das Kind in den Wagen und schüttelte meine schmerzenden Arme aus. Das Tatütata war verstummt.
»Des isch abr amol a netts Kendle!« Aus dem Nichts war plötzlich eine alte Frau aufgetaucht, die eine Vollbremsung hinlegte, als sie das Baby erblickte. Ich stöhnte innerlich. Das hatte uns gerade noch gefehlt. »Sen Sie nei zuzoga? I han Sie no gar nie gsäh. Was isch’s denn, a Mädle odr an Bua?« Sie stellte den Korb ab, den sie unter dem Arm trug, machte es sich im Stehen bequem und sah uns erwartungsvoll an.
Ich warf John-Boy einen verzweifelten Blick zu. Er sah angestrengt in die Luft, als würde er mich nicht kennen. Rabenvater! Die Farbe des Kinderwagens und der weiße Strampler halfen auch nicht weiter. Ich blickte auf das Kind. Diese weichen Gesichtszüge, das Stupsnäschen – »Ein Mädchen«, sagte ich. Im Chor mit John-Boy, der gleichzeitig den Mund geöffnet hatte, um »ein Junge« zu sagen.
Die Alte sah uns verwirrt an. Na, großartig. Nun fehlte nur noch die Frage nach dem Alter.
Ich beugte mich vertrauensvoll vor. »Wissed Se, mei Maa hätt gern an Bua ghett«, flüsterte ich. »Er muss sich no dra gwehna.«
Die Alte nickte mit aufgerissenen Augen und offenem Mund. »An Stammhaldr«, flüsterte sie zurück. »Ha, Sie sen ja no jong. Des ka ja no komma.« Sie beugte sich wieder über das Kind. »Du bisch a arg siaße Krott, gell!«
Das Kind begann zu brüllen. Blitzschnell packte die Alte das Baby. »Soll i Ihne mol ebbes verrota? Mr muss a klois Kendle mitm Kopf nach onde en d’ Armbeige halda, no schreit’s net. Des han i bei meine femf au emmr gmacht.«
Erstaunlicherweise funktionierte die Methode und das Kind war schlagartig ruhig.
Die Alte rümpfte die Nase. »Des Butzele hot an Stinker gmacht! Des ghert gwickelt!«
Tatsächlich ging ein strenger Geruch vom Babypopo aus, eine Mischung aus Zwiebeln, Knoblauch und Sauerkraut. Puuh. Langsam fing die Alte an zu nerven. Konnte sie unser junges Familienglück nicht in Frieden lassen? Außerdem war es viel zu riskant, das Baby zu wickeln. Erstens hatte ich keine Ahnung, wie man das machte, zweitens war uns die Polizei auf den Fersen und drittens – was, wenn es doch ein Junge war?
»Äh, wir gehen sowieso gleich nach Hause«, sagte John-Boy. »Wir haben auch gar nichts mit, wir wollten nur mal schnell um
Weitere Kostenlose Bücher