Brezeltango
gut sein«, sagte Günther. »Wenn die Deern zum ersten Mal in Hamboach is, will sie doch keine doufe alte Schule sehn!«
»Aber sie hat doch grade selber gesagt, dass sie die Schule gern sehen möchte«, rief Hilde empört aus.
»Ich denke, wir gehen jetzt ins Bett und reden morgen weiter«, sagte Leon diplomatisch. »Ich hatte eine anstrengende Woche.«
»Dann sieh man zu, dass du dich ausruhst«, sagte Hilde tüttelig.
Eine Weile später war ich in Leons altem Zimmer und machte mich bettfertig.
»Sie is wirklich nett«, sagte Hilde vor der Tür.
Es war eine Schiebetür. Sie war geschlossen. Trotzdem verstand ich jedes Wort, als stünde Hilde im Zimmer. Das hieß umgekehrt, dass man alles hören konnte, was im Zimmer geschah. Sehr romantisch.
»Wir sind auch sehr glücklich«, hörte ich Leon sagen.
Aha. Interessant. Entweder hatte Leon das Tarik-Debakel im Zug komplett verdrängt oder er war nicht ganz ehrlich. Ich presste mein Ohr an die Tür, obwohl das eigentlich völlig unnötig war. Irgendwie fand ich es passend.
»Sie is so ganz anders als deine andern Freundinnen. Die is zum Heiradn. Auch wenn uns natürlich jemand aus Hamburch lieber wär, wegn der Fahrerei.«
Heiraten? O Gott. Einfamilienhäuser in Schwieberdingen!
»Nu mal langsam«, sagte Leon. »Wir kennen uns doch grade mal ein paar Wochen.«
Uff. Ich atmete auf und sprang zurück, als Leon die Tür öffnete.
»Ich mag deine Eltern«, sagte ich.
»Meine Eltern sind waschechte Hamburger seit der Ming-Dynastie«, seufzte Leon. »Beide sind im Vorstand vom SPD-Distrikt. Meine Mutter ist Beisitzerin für Stadtteilkultur und organisiert das Frauenfrühstück im Kulturhaus, mein Vater ist Beisitzer für Kommunales. Im Winterhude-Eppendorfer Turnverein spielt Vater Tennis, meine Mutter spielt Bridge und macht Senioren-Pilates. Jeden Sommer fahren sie in den Urlaub nach Sylt. Im Frühjahr machen sie eine Bildungsreise. Toskana, Wien oder so was in der Richtung. Da passiert sonst nicht viel.«
»Machen sie immer alles zusammen? Ich finde das sympathisch«, sagte ich und kletterte ins Bett. »Es ist irgendwie – so normal.«
Meine Eltern machten seit Jahren nichts mehr gemeinsam. Schon gar keine Reisen. Alle paar Jahre flog meine Mutter alleine nach Moskau zu ihrer Familie. Ansonsten verbrachte sie ihr Leben in einem Bügelzimmer. Ich seufzte. Ich hatte bisher überhaupt keine Lust gehabt, Leon meiner Mutter zu präsentieren.
Leon war mittlerweile auch ins Bett gekrochen und knabberte an meinem Ohr. Dann leckte er ein bisschen daran und blies darüber.
»Lass das«, flüsterte ich.
»Warum?«, flüsterte Leon zurück.
»Weil es mich tierisch anmacht.«
»Soll es ja«, säuselte Leon und legte seine Hand auf meinen Hintern.
»Leon, hier bei deinen Eltern … Das turnt mich total ab. Und diese schreckliche Schiebetür. Da können wir uns ja gleich zu deinen Eltern mit ins Bett legen!« Ich schob ihn energisch von mir.
»Spielverderberin«, murmelte Leon. »Ein bisschen Versöhnungs-Sex würde uns guttun.«
»Wer ist denn hier der Spielverderber und geht morgen zum Fußball?«, sagte ich empört.
»Du bist also doch sauer.«
»Nein«, seufzte ich. »Ich hatt’s mir nur anders vorgestellt. Romantischer.«
»Ich hab als Entschädigung soo eine super Überraschung für dich, glaub mir, total romantisch!«
»Dann sag mir, was es ist«, nörgelte ich. »Damit ich mich drauf freuen kann, während ich mit deiner Mutter deinen alten Physiksaal besichtige.«
»Wir machen einen Dämmertörn auf dem Wasser. Wir fahren durch die Kanäle hinaus in den Hafen. Überall Schiffe und Lichter …«
»Ach Leon, wie schön! Nur du und ich und ein Glas Champagner?«
»Na ja, vielleicht nicht ganz. Aber so was buchen sowieso nur verliebte Paare.«
»Erzähl mir von deinen Exfreundinnen.«
»Was soll das denn auf einmal?«, fragte Leon gereizt.
»Na, deine Mutter hat das Thema so oft erwähnt. Da wird man ja wohl mal fragen dürfen! Ob es zweihundert oder dreihundert waren, zum Beispiel. Und ob sie alle nur an Salatblättchen und Möhrchen geknabbert haben. Oder war auch mal eine Dicke dabei?«
»Du hast dich bisher nie für meine Exfreundinnen interessiert. Schlaf jetzt. Gute Nacht!«
Meine Güte. Warum war Leon plötzlich so zickig? Hatte er womöglich etwas zu verbergen?
16. Kapitel
Wenn du aus Dortmund kommst
,
schießt Geld dir keine Tore
.
Wenn du aus der Hauptstadt kommst
,
scheißen wir auf dich und dein Lied
.
Wenn du aus Leverkusen
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