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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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zuckten.
    »Ich geb Ihnen gern das Rezept mit«, rief Leons Mutter freudig aus. »Dann können Sie es in Stuttgart für Leon nachkochen.«
    Leon fing jetzt an zu husten. Er nahm ein Sofakissen und drückte es sich vors Gesicht.
    »Alles in Ordnung, mein Lieber?«, fragte Leons Mutter.
    Leon war knallrot hinter dem Sofakissen.
    Würdevoll sagte ich: »Das mit dem Rezept ist eine hervorragende Idee.«
    »Entschuldigt mich«, sagte Leon und stürzte hustend aus dem Zimmer, während ihm seine Mutter besorgt hinterherschaute.
    Aus dem Klo kamen japsende Geräusche. Ich nahm mir vor, Leon später darauf anzusprechen. So lustig war das nun wirklich nicht, dass bei mir das Essen in der Regel anbrannte oder der Ofen explodierte, und in einer Beziehung sollte man ja auch kleinere Unstimmigkeiten frühzeitig thematisieren, bevor sie zum Problem wurden. Sagte Lila jedenfalls.
    Leons Vater hatte in der Zwischenzeit den Weißwein eingeschenkt und drückte mir ein Glas in die Hand. »Also, ich bin Güntha«, sagte er. »Prosit!« Er grinste und stieß mit mir an.
    Jetzt wusste ich, woher Leon sein Grinsen hatte. Dieses herausfordernde, unverschämte, freche Grinsen.
    »Und ich bin die Line«, sagte ich. »Aber das wissen Sie ja schon.«
    Ojeojeoje. Hieß das jetzt, dass wir uns duzten, oder würden wir uns mit »Sie« und Vornamen anreden? Ich beschloss, für alle Fälle erst mal beim »Sie« zu bleiben.
    »Und ich bin Hilde, aba Hilde muss jetzt ma dringend in die Küche«, sagte Leons Mutter und verschwand eilig.
    Eineinhalb Stunden später hatte ich Leons Mutter davon überzeugt, dass ich nicht auf meine schlanke Linie achtete. Ich hatte zwei große Teller mit einer sehr leckeren Apfel-Kartoffel-Pampe verdrückt, die mit Zwiebeln und Speck garniert war, dazu zwei Würste einer mir unbekannten Art, die Leons Mutter als »Grützwurst« bezeichnete, im Volksmund »Tote Oma« genannt, und zum Nachtisch gönnte ich mir auch ein zweites Schüsselchen voll roter Grütze mit Sahne. Den Verdauungsschnaps, den mir Leons Vater anbot, lehnte ich nicht ab, obwohl ich normalerweise keinen Schnaps trank.
    »Sagn Sie, was möchtn Sie morgen Nachmittach denn gerne unternehmn? Ham Sie Lust, mit mir einkaufn zu gehen?«, fragte Hilde.
    Ich sah sie erstaunt an. Ich hatte eigentlich gedacht, Leon und ich würden das Wochenende mit romantischen Spaziergängen im Hafen und auf der Reeperbahn verbringen und nur zu den Mahlzeiten bei seinen Eltern auftauchen, wenn überhaupt. Auch wenn sie wirklich nett und unkompliziert waren.
    »Nicht wirklich, warum?«, sagte ich und merkte erst jetzt, dass es reichlich unhöflich klang.
    »Leons Freundinnen wollten immer einkaufn gehn«, sagte Leons Mutter.
    Leon guckte unangenehm berührt. Ich dachte an Yvette. Klar, zu ihr passte das.
    »Aber ich kann Ihnen ja auch Eppendorf zeign, während Leon und Güntha beim Fußball sind.«
    »Fußball? Welcher Fußball?«, sagte ich alarmiert.
    Hatte Leon nicht von einem Wasserwochenende gesprochen? Das Wort »Fußball« war nicht gefallen. Kein einziges Mal. Da war ich ganz sicher.
    Leon sah jetzt noch verlegener aus. »Morgen Nachmittag spielt der HSV«, sagte er. »Gegen Stuttgart übrigens. Ich würde gerne mit meinem Vater in unsere Stamm-Fußballkneipe gehen, wenn’s dir nichts ausmacht. Sind ja nur zwei Stündchen. Meine Mutter kümmert sich solange um dich.«
    Natürlich machte es mir etwas aus! Das war unser erstes gemeinsames Wochenende in Hamburg, Leon zischte zum Fußball ab und hatte seine Mutter als Babysitterin angestellt, ohne mir vorher etwas zu sagen. Ich ließ mir jedoch nichts anmerken. Ich war eine tolerante Frau, die Verständnis für die seltsamen und vollkommen unintellektuellen Interessen ihres Freundes hatte.
    »Äh, nein, natürlich macht es mir nichts aus«, heuchelte ich.
    »Leon geht immer mit seim Vadder zum Fußball, wenn er hier is«, sagte Hilde. »In die Arena oder in die Kneipe.«
    »Schön, so eine Familientradition«, sagte ich.
    »Ja, nich wahr«, sagte Hilde vergnügt. »Wenn Sie nich einkaufen gehen möchten, zeich ich Ihnen Leons alte Schule. Die wolln Sie doch sicher sehn?«
    »Auf jeden Fall«, rief ich überschwänglich aus.
    Ich hatte das Gefühl, einen schlechten Eindruck zu machen, wenn ich zugab, dass eine doofe alte Schule, die wahrscheinlich aussah wie jede doofe alte Schule, auf der Liste der abzuhakenden Attraktionen sehr weit hinten auftauchte, wenn man, wie ich, zum ersten Mal in Hamburg war.
    »Ach, Muddi, lass doch

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