Brezeltango
kaputtzumachen ist? Und überhaupt! Du stellst
mein
Vertrauen mit deinen Polizisten, Tangotänzern und Zweifeln an meinen intellektuellen Fähigkeiten auch ganz schön auf die Probe«, rief Leon wütend, blieb stehen, verschränkte die Arme und blickte finster geradeaus.
Ich starrte auch stumm geradeaus. Ich fühlte mich schrecklich elend. Yvette hatte erreicht, was sie wollte. Nun stritten wir uns. Schon wieder!
Das Schweigen dehnte sich ins Unendliche.
Endlich sagte Leon: »Line, sieh mich an!«
Widerstrebend drehte ich den Kopf.
»Yvette ist nichts als eine alte Freundin. Kapier das doch endlich! Ich will nichts von ihr. Ich will nur mit dir zusammen sein. Auch wenn du ein seltsames Huhn bist.«
Er packte mich und küsste mich so leidenschaftlich, dass mir schwindelig wurde. Mannomann. Von wegen kühler Hanseat. So hatte er mich noch nie geküsst. Seine Zunge war überall. Sogar auf meinen Amalgamfüllungen.
»Und jetzt gehen wir ganz schnell nach Hause und nutzen die Zeit, bis Hildchen und Günther vom Einkaufen zurück sind, für einen Quickie auf dem Sofa«, flüsterte Leon.
Auf dem Sofa? Wow! Peepshow für die U-Bahn!
Er nahm mich wieder an der Hand und wir rannten kichernd los. Wir rannten den ganzen Weg. Wir warteten nicht auf den Aufzug, stürmten die Treppen hinauf und in die Wohnung hinein. Atemlos rissen wir uns die Kleider vom Leib. Okay. Ich war bereit, ein letztes Mal über Yvette hinwegzusehen.
11 Hochdeutsch für Kutterschaufel und Kehrwisch
17. Kapitel
She wears high heels, I wear sneakers
,
She’s cheer captain and I’m on the bleachers
Dreaming about the day when you wake up and find
That what you’re looking for has been here the whole time
.
»Wegen Personalmangels fährt dieser Zug leider erst mal nirgendwohin.«
Ein Stöhnen ging nach dieser erhellenden Lautsprecherdurchsage durch den überfüllten ICE. Der Zug stand schon ziemlich lange auf dem Gleis im Hamburger Bahnhof herum und wurde immer voller, weil zudem irgendein anderer ICE komplett ausfiel, sodass sich jetzt eine Menge Leute ohne reservierte Sitzplätze in unserem Zug drängelten. Irgendwann waren selbst die Gänge in den Großraumbereichen voller Menschen, die nicht wussten, wo sie sich selbst, geschweige denn ihr Gepäck, verstauen sollten. Hilde und Günther standen noch immer verloren am Gleis, um zum Abschied zu winken, und wegen der vielen Leute konnte Leon nicht aussteigen, um ihnen Bescheid zu geben. Ich blendete die bemitleidenswerten Szenen, die sich vor unseren Augen und Füßen abspielten, aus und kuschelte mich wie eine Katze an Leon, weil wir nun endlich zwei Plätze nebeneinander hatten.
Der Dämmertörn in den Hafen war leider nicht ganz so romantisch ausgefallen wie erwartet. Während sich die anderen Gäste auf die Plätze an den Panoramafenstern stürzten, führte mich Leon nach hinten, wo man im Freien sitzen konnte. Glücklicherweise saßen wir dort allein. Wunderbar, so würde ich ungehindert mit Leon knutschen können. In der Mitte der Alster stieg eine Fontäne auf und langsam gingen überall die Lichter an. Bis dahin war es wirklich sehr romantisch, auch die Fahrt durch die Kanäle und hinaus in den Hafen, und ich verbrachte viel Zeit damit, mir im Geiste ein superschickes Loft mit Balkon zum Wasser auszusuchen, in dem ich mit Leon irgendwann einmal wohnen würde. So wie der supercoole und gleichzeitig empfindsame türkische Tatort-Kommissar.
Weil Yvette, die intrigante Winselstute, mir ins Ohr geflüstert hatte, ich müsse mich für Leons Fußballtruppe interessieren, fragte ich ihn nach dem HSV-Spiel. Leider war Leon so entzückt von meinem plötzlichen Interesse, dass er das komplette Spiel in Echtzeit nacherzählte und die zentralen Szenen nachstellte. Als er endlich fertig war und ich zum Knutschen ansetzen wollte, waren wir plötzlich von Finnen umzingelt, die zu einer rein männlichen Reisegruppe gehörten, nur die Reiseleiterin war weiblich. Bestimmt Holzfäller aus Lappland! Erst tauchten nur ein paar zum Rauchen auf, dann drängelten sich immer mehr Finnen mit ihren Bierflaschen auf dem kleinen Deck. Sie guckten melancholisch, seufzten, schwiegen und traten in regelmäßigen Abständen mit mächtigen Finnenfüßen auf einen meiner Füße, die in dünnen Sandalen steckten. Viel sehen konnte man auch nicht mehr durch die Zigarettenwolke. Es wurde rasch empfindlich kühl.
»Man spürt die Nähe der Nordsee«, meinte ich.
»Dass Hamburch an der See liegt, hat euer Stuttgarter
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