Brezeltango
Beziehung Kompromisse machen. Aber doch nicht gerade an dieser Stelle! Findest du die Dirndl-ja-oder-nein-Frage fundamental für unsere Beziehung? Das glaube ich einfach nicht!«
»Es geht nicht um das Dirndl. Es geht darum, dass du offensichtlich nicht bereit bist, mir auch mal einen Gefallen zu tun. Weißt du, meinen Kollegen habe ich gesagt, du würdest den Spaß bestimmt mitmachen. Aber da hab ich mich wohl getäuscht.«
»Leon, das ist kein Spaß für mich, wirklich nicht. Bitte verlang nicht von mir, mich mit einem Dirndl zu verkleiden! Ich mach mich doch so schon oft genug lächerlich. Ich werfe mich sogar mit Kartoffelsalat in den Kanal, wenn’s sein muss. Da brauche ich nicht auch noch ein Dirndl. Außerdem sind die Dinger unglaublich teuer.«
»Ich hätt’s dir sogar geschenkt«, sagte Leon vernichtend. »Aber keine Sorge. Ich besteh nicht drauf. Auch wenn du dann als Einzige total aus der Reihe fällst.«
»Ich will keine Almosen von dir. Es ist mir sowieso unangenehm, dass du so oft für mich bezahlst.«
»Line, ich bin der Meinung, dass man in einer Beziehung zusammensteht. Und dass man das auch deutlich nach außen zeigt, beispielsweise gegenüber meinen Kollegen. Und wenn ich verdiene und du nicht, dann habe ich überhaupt kein Problem damit, mehr zu bezahlen. Aber offensichtlich kannst du deinen Stolz nicht runterschlucken.«
Wir standen uns gegenüber wie zwei Kampfhähne, mit geballten Fäusten und hochrotem Kopf. Ich konnte es nicht fassen. Unser dritter Streit innerhalb von 48 Stunden, ausgerechnet wegen eines Dirndls! Und jetzt fingen auch noch meine Ohren an zu rauchen. Das war mir schon lange nicht mehr passiert.
»Gut«, sagte ich leise. »Wenn es dir peinlich ist, dann gehe ich lieber nicht mit. Ich will dich ja nicht vor deinen Kollegen blamieren. Oder deinem kometenhaften Aufstieg bei Bosch im Weg stehen, weil du die falsch angezogene Freundin hast. Und jetzt gehe ich nach Hause.« Ich sammelte meine Sachen ein.
Leon starrte mich an, klappte den Mund auf und dann wieder zu. Gleich würde er mich in die Arme schließen und alles war wieder gut. Aber er wedelte nur stumm den Rauch weg und wandte sich ab.
Ich schloss Leons Wohnungstür hinter mir. Tränen stiegen mir in die Augen. Einen Stock tiefer blieb ich stehen. Es war nicht gut, im Streit zu gehen. Nicht nach dem schönen Wochenende! Ich würde umkehren.
»Ja, grieß Gott, Frau Praetorius! Lang net gsäh! Wie goht’s denn so?« Frau Müller-Thurgau hatte ihre Wohnungstür aufgerissen und stand in ihrem rosa Jogginganzug vor mir, wie immer mit einer brennenden Zigarette in der Hand. Ausgerechnet jetzt! Wie schaffte sie es nur, immer im unpassendsten Moment aufzutauchen?
Rasch wischte ich mir mit dem Handrücken über die Augen. »Äh, danke, gut. Und Ihnen?«
»Ha, ’s goht, ’s goht. Mei Drombose, wissed Se. Jetz fangd’s em rechda Bei au no a.« Unaufgefordert lupfte sie ihren nackten rechten Fuß aus ihrem Doris-Day-Pantöffelchen, schob den Bund ihrer Jogginghose ein Stück nach oben und präsentierte stolz ihr blau schimmerndes Bein, das von einem dichten Verkehrsnetz aus knotigen Krampfadern bedeckt war. »Dr Doktr sagt, i sott’s so bald wie meglich oberiere lassa, sonschd gibd’s a Mehretaschedrombose. Noo han i gsagt, i wohn doch scho em vierte Stock!« Sie lachte schallend. Das tiefe Lachen ging nahtlos in einen trockenen Raucherhusten über.
Unten klappte eine Tür. Ich stöhnte innerlich. Als Nächstes würde Herr Tellerle auftauchen. Ich musste hier weg, und zwar schleunigst.
»Ich muss jetzt leider«, sagte ich. »Ich ... ich habe einen Arzttermin.«
»Am heilige Sonndich? Ha no, sen Sie au krank? Raucht’s deshalb aus Ihre Ohra naus? Sie, des isch abr schlemm! Sie sen doch noo so jong! Mei Lotte hot au Drombose. Des hot se sich abr scho a bissle selbr zuzomschreiba. Se isch hald oifach z’ dick. Drbei isch se erschd Mitte fuffzich. Do sott mr scho no a bissle uff sich uffbassa.« Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette.
Ich trat die Flucht vor weiteren Krankheitsgeschichten an und verabschiedete mich hastig. Einen Stock tiefer lag Herr Tellerle schon in den Startlöchern. Ich grüßte und lief weiter, ohne auf seine Antwort zu warten. Sein vorwurfsvoller Blick brannte sich in meinen Hinterkopf.
Die Versöhnung mit Leon würde warten müssen.
18. Kapitel
There’s a lady who’s sure
All that glitters is gold
.
And she’s buying a stairway to heaven
.
When she gets there she knows
,
If
Weitere Kostenlose Bücher