Brezeltango
lag.
»Hotel Traube, grüß Gott«, sagte eine weibliche Stimme mit bayrischem Einschlag.
»Grüß Gott, Praetorius hier. Ich habe im Internet gelesen, dass Sie Dirndl verleihen. Sie verleihen nicht zufällig auch nach außerhalb?«
»Nein, das tut mir leid. Das ist ein spezieller Service für unsere Hotelgäste.«
»Könnten Sie keine Ausnahme machen?«, sagte ich flehend. »Es ist sehr dringend, ich brauche das Dirndl nur heute Abend. Ich bezahle Sie natürlich dafür und kümmere mich um die Reinigung.«
Ich konnte geradezu hören, wie sie überlegte.
»Warten S’ einen Moment. Ich muss Sie mal weglegen.« Nach kurzer Zeit kam sie zurück. »Also, alle Dirndl sind grad unterwegs. Bis auf zwei. Was ham S’ denn für a Größe? I könnt Ihnen nur 48 oder 52 anbieten, und a einzelne Blusn Größe 44 wär au dabei.«
»Das ist alles viel zu groß«, sagte ich. »Trotzdem, ganz herzlichen Dank für Ihre Mühe.«
»Bittschön«, sagte sie. »Also ausgliegn kriagn S’ sicher nix zur Zeit. Is sicher alles weg. Probieren S’ doch beim Angermaier in der Eberhardstraße oder beim Breuninger.«
»Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen.«
Wie praktisch, die Eberhardstraße und der Breuninger, das war direkt beieinander. In einem der beiden Geschäfte würde ich sicher fündig werden. Ich schob die EC-Karte in den Geldbeutel. Was so ein Dirndl wohl kostete? Die hundert Euro, die ich erst gestern abgehoben hatte, würden sicher nicht reichen. Ich konnte ja versehentlich das Preisschild dranlassen, damit Leon merkte, wie viel ich in unsere Versöhnung investiert hatte.
Ich schnappte das Rad und fuhr formel-1-mäßig über Landhausstraße, Kernerplatz und Urbanstraße hinunter zum Charlottenplatz. Ungeduldig wartete ich an der Musikbücherei auf Grün und hangelte mich von Ampel zu Ampel in die Holzstraße. Dort bog ich rechts ab und hielt mich an der eleganten Glaskuppel, die die beiden Breuninger-Gebäude verband, nicht lange mit Absteigen auf. Ich umzirkelte Bistrotische, die Champagner-Bar und einen verdutzten Pianisten, schenkte dem Security-Mann im dunklen Anzug, der mir hinterherbrüllte, keine Beachtung, vermied haarscharf den Zusammenstoß mit ein paar schwer beladenen Einkäuferinnen und kam an der anderen Seite wieder ans Tageslicht.
Das Rad deponierte ich neben einem Schaufenster, in dem die neue Herbstmode präsentiert wurde. Der offizielle Fahrradabstellplatz war das sicher nicht, aber mit solchen Kleinigkeiten konnte ich mich wirklich nicht aufhalten, schließlich hatte ich eine Beziehung zu retten. Und jetzt – wohin? Bei Breuninger fand man sich zwischen Hochhaus und Mittelbau eigentlich nur mit GPS zurecht. Manchmal tauchten im Winter leicht verwirrte Menschen, die als vermisst gemeldet waren, zwischen irgendwelchen Mänteln auf, dabei hatten sie einfach nur den Ausgang nicht mehr gefunden. Vielleicht gab es irgendwo eine Information?
Ich ging durch die nächste Tür. Auf indirekt beleuchteten Countern und hinter Glasscheiben, auf denen keine Abdrücke von Kinderhänden zu sehen waren, standen riesige Parfümflaschen in den verrücktesten Farben und Formen. Die strahlenden Verkäuferinnen trugen elegantes Schwarz, kombiniert mit adrettem Weiß, und sahen so makellos aus wie die Flakons, die sie fragend in die Luft hielten, wenn eine Kundin vorbeimarschierte. Auf einer Art Barhocker saß eine Frau im Krokodillederkostüm, die Augen geschlossen, und plauderte angeregt mit der Kosmetikerin, die gerade Lidschatten auftrug. Hatte mich Leon nicht nach No-go-Areas gefragt? Diese Luxuswelt war definitiv eine No-go-Area für Pipeline Praetorius in ihren abgeschnittenen Jeans, dem Trägertop ohne BH drunter und dem völlig ungeschminkten Gesicht. Schnell weg hier! Ich wandte mich an eine der perfekt gestylten Verkäuferinnen.
»Entschuldigen Sie, wissen Sie zufällig, wo es hier ...«, ich schluckte und senkte die Stimme, »... Dirndl gibt?«
»Dirndl!«, rief die Frau entzückt. »Damit liegen Sie voll im Trend! Zufällig habe ich hier den passenden Duft. Ganz neu, exklusiv für das Volksfest entwickelt! Fürs Festzelt darf der natürlich gern ein bisschen prägnanter sein. Damit liegen Ihnen die Männer zu Füßen!« Sie nahm einen Parfümzerstäuber, dessen Verschluss aussah wie ein Kronenkorken, besprühte einen Papierstreifen, wedelte ein bisschen damit herum und drückte mir dann den Streifen in die Hand. Ich schnupperte gehorsam. Das Parfüm roch, als sei es von Hofbräu. Die Frau sah mich
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