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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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wir hier alle verrückt.« Sie fing leise an zu weinen.
    Ich musste mich schwer zusammenreißen, um nicht mitzuheulen. Lena war zwar eine sehr frühreife Achtjährige. Trotzdem war sie ein Kind. Ein Kind, dessen Familie gerade auseinanderbrach.
    »Lena, ich fürchte, das müssen Katharina und Frank miteinander ausmachen. Ich kann mich da nicht einmischen. Aber wenn du mich besuchen kommen willst, ruf einfach an, und wir machen was Schönes zusammen, okay? Wir gehen ins Kino oder ins Planetarium. Ich melde mich wieder.«
    Ich holte tief Luft. Warum war es nur so schwierig mit den Männern und den Frauen? Seinen Traumprinzen zu finden war ein bisschen wie ein Lottogewinn. Man wünschte sich nichts sehnlicher und hielt es für die Lösung aller Probleme, glaubte aber eigentlich nicht daran, und wenn man dann tatsächlich sechs Richtige hatte und der Typ auf der Matte stand, konnte man sein Glück kaum fassen. Dabei fingen die Probleme jetzt erst richtig an. Irgendwann überlegte man sich vor lauter Frust, den Lottogewinn zurückzugeben, weil er das Leben so kompliziert machte. Das war doch vollkommen bescheuert!
    Hmm. Verglichen mit Katharinas Eheproblemen war die Dirndl-Frage lächerlich. Wenn wir uns schon wegen so einem Mist in die Haare bekamen, wie sollte das erst werden, wenn es um wirklich wichtige Dinge ging, Kinder oder Einfamilienhäuser mit Blick auf Bosch, oder ob man neben der eigentlichen Beziehung einen Zweitmann haben durfte, rein platonisch natürlich?
    Da gab es nur eins: Ich musste über meinen Schatten springen und mich mit Leon versöhnen. Hurra! Ich würde beweisen, dass ich ein reifer Mensch war! Kompromissbereit! Erwachsen! Ich würde Leon auf dem Volksfest überraschen und er würde sich wegen seiner Fischköpfigkeit schämen. Außerdem durfte ich auf keinen Fall Yvette das Bierzelt überlassen. Bloß: in Jeans oder im Dirndl?
    Ich griff wieder zum Telefon. »Lila, hast du ein paar Minuten? Ich brauch mal kurz deinen Rat.«
    »So, rückst du jetzt endlich damit raus? Ich hab doch gemerkt, dass da was nicht stimmt.«
    Ich seufzte schwer. »Ich hatte am Wochenende mehrere grässliche Streits mit Leon. Am schlimmsten war’s am Sonntagabend. Seitdem haben wir nicht mehr miteinander gesprochen.«
    »Line, ihr seid jetzt an dem Punkt, wo ihr die rosaroten Brillen ablegt und erste Konflikte auftauchen. Das ist doch normal! Bei Harald und mir wird das auch kommen. Entscheidend ist, wie man damit umgeht.«
    »Total konstruktiv gehen wir damit um«, sagte ich deprimiert. »Aber ich habe jetzt beschlossen, den ersten Schritt zu tun. Leon geht heute mit seinen Kollegen aufs Volksfest. Mit Anhang, und der Anhang trägt Dirndl. Ich hatte keinen Bock auf Dirndl und Leon war fürchterlich enttäuscht.«
    »Line, findest du nicht, dass man in einer Beziehung auch mal Kompromisse machen muss?«
    »Ich finde, der Kompromiss ist, dass ich trotz der Streiterei heute Abend da hingehe! Überhaupt! Du redest genau wie Leon! Ich dachte, du bist meine Freundin!«
    »Und eben weil ich deine Freundin bin, sage ich dir: Wenn es ihm so wichtig ist, warum tust du ihm dann nicht den Gefallen? Da bricht dir doch kein Zacken aus der Krone! Sieh’s doch als Kostümparty!«
    »Jetzt ist der Zug sowieso abgefahren.«
    »Dann hättest du mich nicht angerufen.«
    »Und wo krieg ich jetzt ein Dirndl her, so auf die Schnelle?«
    »Für eBay ist es zu spät. Vielleicht vom Kostümverleih? Was weiß ich denn! Lass dir was einfallen!«
    »Vielleicht leihen die ja auch Busen aus«, seufzte ich. »Danke, Lila. Wenn’s spät wird, bin ich nach der vierten Maß auf der Bierbank eingeschlafen und verbringe die Nacht mal wieder im Polizeigewahrsam auf dem Pragsattel, diesmal in der Ausnüchterungszelle.«
    Ich sah auf die Uhr. Jetzt war es wirklich allerhöchste Zeit. Ich warf die »Gelben Seiten« auf den Tisch und blätterte fieberhaft. Die Rubrik »Dirndl« existierte nicht. »Trachten« auch nicht. Unter »Kostümverleih« gab es einen Laden in Untertürkheim, das war mir zu weit, und als weiteres Stichwort »Verleihgeschäfte«. Die »Verleihgeschäfte« erwiesen sich als ein Geschirrmobil und ein Werkzeugverleih. So wurde das nichts. Ich flitzte nach oben, warf den Computer an und fand über Google ein Hotel in der Nähe des Mineralbads Berg, das seinen Gästen in der Zeit des Volksfestes als Zusatzservice Dirndl auslieh. Da konnte ich sogar zu Fuß hin! Ich notierte die Nummer und rannte wieder nach unten in die Küche, wo das Telefon

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