Brezeltango
kein Dirndl, das ihm die Luft abschnürte. Warum hielt niemand den Kerl auf, trotz meines hysterischen Kreischens?
Der Mann hatte die Rolltreppe erreicht und nahm die Stufen in großen Sprüngen. Er hatte einen Affenzahn drauf. Bestimmt ein durchtrainierter Marathonläufer!
»Halten Sie den Mann fest! Er hat meine Tasche geklaut«, japste ich.
Der Dieb rempelte an den Leuten auf der Rolltreppe vorbei, die viel zu verdutzt waren, um zu reagieren. Ich rempelte hinterher, Proteste und Beschimpfungen im Ohr. Meine nackten Füße schmerzten auf den kalten Metallrillen. Würde er im zweiten OG zwischen den Übergangs-Männerjacken abtauchen? Nein, die nächste Rolltreppe! Meine Stimme ließ nach. Mein Atem ging flach und ich bekam fast keine Luft mehr. Im Laufen fingerte ich an den Häkchen des Mieders herum. Keine Chance.
Die letzte Rolltreppe. Mist, die führte in die Parfümerie und zum Ausgang. Der Mann bog nach links ab. Er war jetzt deutlich langsamer geworden. Ich gab alles und beschleunigte. Gleich hatte ich ihn. Die Tasche schlenkerte hinter ihm her. Ich brauchte sie ihm nur wegzureißen!
»Dieb, Dieb!«, keuchte ich, weil mein Atem nicht mehr hergab.
Da, endlich! Zwei Verkäuferinnen, die neben einer Vitrine tratschten, stellten sich dem Dieb beherzt in den Weg. Der legte eine Vollbremsung hin und ich krachte direkt in ihn hinein. Es klirrte und schepperte. Bunte Farben und Lichter tanzten vor meinen Augen und verschwammen. Dann wurde alles schwarz.
19. Kapitel
Just when I’d stopped opening doors,
finally knowing the one that I wanted was yours,
making my entrance again with my usual flair,
sure of my lines, no one is there
.
Mhmm. Das fühlte sich aber gut an! Leon fummelte an meinen Brüsten herum. Was für eine wunderbare Art, geweckt zu werden! Ich räkelte mich voller Verlangen und so lasziv, wie ich nur konnte, dazu stöhnte ich leise, um Leon zum Weitermachen zu ermuntern.
»Doo guck, se kommt scho wieder zu sich!«
»Sie hot sich ebbes doo, sie stöhnt vor Schmerza!«
Ich riss die Augen auf. Das war kein Liebesnest, das war der harte Boden der Parfümerie von Breuninger. Schwarz-weiße Beauty-Expertinnen und elegante Kundinnen standen im Kreis um mich herum und musterten mich teils besorgt, teils sensationslüstern. Eine der Schönheits-Spezialistinnen kniete neben mir und nestelte an meinem Mieder herum.
»I han denkt, Sie verschdiggad, i han Ihne die Häkle uffgmacht, damit Se wieder Luft kriaged«, sagte sie. »Ond’s kommt au glei a Sanidäder.«
Sie reichte mir ein Glas Wasser und ich trank gierig.
»Ich brauche keinen Sanitäter, danke«, sagte ich. »Mir geht’s gut. Das Dirndl hat mir die Luft abgeschnürt, das ist alles.« Ich setzte mich auf. Mein Atem ging wieder normal. Bei dem Zusammenprall und dem Sturz hatte ich außer ein paar blauen Flecken nichts abbekommen. Die Leute standen immer noch da und gafften, als wäre ich ein Autobahnunfall am Dreieck Leonberg. Warum zischten sie nicht endlich ab?
»Wo ist der Dieb?«, fragte ich. War mein Rolltreppen-Running etwa völlig sinnlos gewesen?
»Hat uns aus dem Weg geschubst und ist in die Passage abgehaun«, sagte eine der Verkäuferinnen-Heldinnen bedauernd.
»Mist!«, sagte ich und versuchte aufzustehen.
»Noo langsam!«, rief die Frau, die mich wiederbelebt hatte, beschwörend. »Bassad Se mit de Scherba uff!«
Ich lag in einem wilden Parfümflaschen-Durcheinander. Einige Flaschen waren zerbrochen. Hoffentlich musste ich den Schaden nicht bezahlen! Die ausgelaufenen Düfte hatten sich zu einer fürchterlich stinkenden Neukreation vereinigt. Auch der Dirndlrock hatte feuchte Parfümflecken. Eine Verkäuferin kehrte vorsichtig die Scherben zusammen, die überall um mich herum verstreut lagen. In einem schwäbischen Kaufhaus hielt man selbst in der Luxus-Parfümerie Kutterschaufel und Kehrwisch allzeit bereit.
»Hen Se au wirklich koin Glassplitter abkriegt?«, fragte die Verkäuferin, die sich um mich kümmerte.
Ich untersuchte meine Arme und Beine und konnte nur ein paar kleine Kratzer entdecken. Ich schüttelte den Kopf und stellte mich auf meine nackten Füße. »Aua!«, rief ich und verzerrte mein Gesicht vor Schmerzen. »Da ist wohl doch ein Splitter im Fuß.«
Jemand schob mir einen Hocker unter den Hintern. »Koi Problem«, sagte die Verkäuferin fröhlich. »Mir kennad älles, net bloß Augabraua zupfa, au Scherba rausoberiera!« Sie machte auf dem Absatz kehrt und kam nach wenigen Augenblicken mit einer
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