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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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Ausgang humpelte. Schließlich war ich die Hauptdarstellerin des Dirndl-Dramas gewesen.
    Vor der Tür parkte ein Streifenwagen. Dieses Exemplar hatte zum Glück keine vergitterten Fenster, sondern einen Tisch mit Bänken, wie in einem Wohnmobil. Wir setzten uns einander gegenüber. Ohne die vielen Zuschauer war die Atmosphäre plötzlich erschreckend intim.
    »Sag mal, irgendwie ziehst du das Unglück schon ein bisschen an, oder?«, fragte Simon und lächelte.
    Er hatte ein ziemlich nettes Lächeln, wie ein großer Lausbub. Überhaupt fiel mir zum ersten Mal auf, dass er ziemlich gut aussah. Bestimmt war das Polizisten-Engelchen in ihn verknallt und tat bloß so cool.
    »Das ist ein blöder Zufall, wirklich«, sagte ich. »Vor der Geschichte mit dem Smart hatte ich noch nie mit der Polizei zu tun. Ich bin auch noch nie ohnmächtig geworden.«
    »Ich bin jedenfalls«, Simon räusperte sich, »gerne auch mal nach Dienstschluss für dich da. Das wär vielleicht ein bisschen entspannter als in einer Grünen Minna oder auf dem Revier. Ich versichere dir, ich seh in Jeans ganz passabel aus. Hast du meine Handynummer noch?«
    »Simon, ich mag dich wirklich gern«, sagte ich. »Aber ich bin in festen Händen. Glaube ich jedenfalls.« Ich seufzte. Ich hatte schrecklichen Bammel vor der Begegnung mit Leon.
    »Also wenn sich das mit den festen Händen mal ändert, gib einfach Bescheid«, sagte Simon. »Dann komm ich mit Blaulicht angefahren. Wir gehen schließlich auch Hähnchen holen mit Blaulicht.«

20. Kapitel
    We found love, oh,
So don’t fight it.
Life is a rollercoaster
you just got to ride it
.
    Eine halbe Stunde später hielt Simon am Fußgängerüberweg mitten auf der Brücke, die über den Neckar nach Cannstatt führte. Von hier aus hatte man einen großartigen Blick auf das Riesenrad und die Achterbahnen. Niemand hupte. So ein Streifenwagen schien gewisse Vorteile zu haben.
    »Da wären wir. Ich wünsche dir trotz allem noch einen schönen Abend.«
    »Danke«, sagte ich. »Den wünsche ich mir auch.«
    Vorher war ich aufgeregt gewesen. Jetzt wurde ich langsam nervös.
    »Dein Freund hat wirklich Glück«, sagte Simon. »Ich nehme mal an, du triffst dich mit deinem Freund. Jede andere Frau, wenn sie nicht grade eine taffe Polizistin ist, hätte nach der Aufregung erst mal einen Migräneanfall bekommen, wäre nach Hause gefahren und hätte den Rest des Tages in einem abgedunkelten Zimmer verbracht.«
    Ich seufzte und wünschte mir, jede andere Frau zu sein. Die Schweißränder auf dem neckischen Blüschen waren nicht zu übersehen, die Haare klebten mir ungewaschen im Nacken, das Dirndl war nicht nur mit Zwergen, sondern auch mit Blutflecken verziert und stank wie die Pest, man konnte mir tief in den Ausschnitt blicken, ohne einen Busen zu finden, und ich humpelte. Quasimodo begab sich auf die Suche nach Esmeralda und hatte keine Zeit zu verlieren.
    »Danke«, sagte ich und öffnete die Beifahrertür. »Du bist ein netter Kerl.«
    »Das ist vermutlich das schlimmste Kompliment, das man einem Mann machen kann«, sagte Simon düster.
    »Das finde ich nicht«, sagte ich, kletterte noch einmal auf den Sitz zurück und drückte ihm einen Kuss auf die Backe. Eine ganze Sekunde konnte ich es aushalten, wie er mich ansah. Dann musste ich wegschauen.
    »Du weißt ja«, sagte Simon.
    »Ja, ich weiß. Mach’s gut.«
    Ich stieg aus dem Streifenwagen und ließ mich vom Strom erwartungsfroher Menschen mitreißen, durch die Unterführung Richtung Fruchtsäule. Das Gedränge nahm zu. Die Zahl der Dirndl und Lederhosen auch. Fahrgeschäfte, Fressbuden und Schießstände, quietschbunte Farben und wummernde Discobeats – der Wasen war noch genau so, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ansager mit heiseren Stimmen versuchten, das Publikum zu locken, und auch die Losbuden hatten sich kaum verändert, es gab noch immer die Riesenplüschtiere zu gewinnen, auf die ich schon als Kind sehnsüchtig gestarrt hatte, bevor ich mit zitternden Fingern ein gelbes oder rosa Zettelchen auseinanderrollte, auf dem »Niete« stand. Nur die Attraktionen jagten das Adrenalin mehr in die Höhe als früher. Das Kettenkarussell hieß jetzt
Starflyer
und drehte sich in schwindelerregender Höhe. Bleiche Menschen wankten an mir vorbei, die gerade im
Sky Screamer
an einem Seil im freien Fall in die Tiefe gestürzt waren. Daneben fuhren Schweinchen, Goofys und Helikopter im Kreis und hoben etwa einen Meter vom Boden ab, um sich dann gemächlich wieder zu senken.

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