Brezeltango
Pinzette zurück.
Ich legte den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel. Die Schaulustigen rückten interessiert näher, um die Live-OP besser sehen zu können. Die Verkäuferin beugte sich über den Fuß und fing an zu popeln. Das tat ganz schön weh. Weil aber so viele Leute zusahen, biss ich die Zähne zusammen und versuchte, an etwas Schönes zu denken. Käse-Laugenstangen. Windbeutel. Peitschenstecken.
»I verwisch des blede Deng net«, sagte die Verkäuferin. Plötzlich quoll ordentlich Blut aus dem Bohrloch. Meine Chirurgin wurde mit einem Schlag kreidebleich. »I ka älles, bloß koi Blut säh«, röchelte sie und sackte dann nach hinten weg.
Das war aber kein Problem, weil genug Leute dumm herumstanden, die sie auffingen und vorsichtig auf den Boden legten, da, wo ich eben noch gelegen hatte und mittlerweile zum Glück alle Scherben ordentlich weggekehrt waren.
Während die Leute hektisch versuchten, die Verkäuferin wiederzubeleben, tauchte plötzlich der Security-Mann im dunklen Anzug auf, der, der mir vorher in der Glaskuppel hinterhergebrüllt hatte. Er guckte sehr grimmig. Mit der einen Hand umklammerte er den Oberarm des Diebes, in der anderen Hand trug er meine Tasche. Supidupi!
Erst freute ich mich, dann wurde ich böse auf den Kerl, der das ganze Chaos verursacht hatte. Moment mal. Von wegen Kerl. Das war eine Frau! Eine kleine, muskulöse Frau mit sehr kurzen, hellblond gefärbten Haaren und in schwarzen Kleidern. Die tiefen Falten in ihrem Gesicht deuteten darauf hin, dass sie schon längst im Pensionsalter sein musste. Großartig. Ich hatte eine Verfolgungsjagd gegen eine Rentnerin verloren!
»Isch des die Frau, der wo mr ihr Dasch glaud hot?«, fragte der Security-Mann und deutete auf die Verkäuferin, die langsam wieder zu sich kam und gerade ein Glas Wasser trank.
»Nein, die Tasche gehört mir!«, rief ich aufgeregt.
Der Mann sah mich misstrauisch an. »Sie! Wie hoißad Sie?«
»Pipeline Praetorius«, sagte ich. Hoffentlich war das Geld noch da!
»Wir haben schon die Polizei gerufen«, sagte eine Frau vom Personal.
»Nein, bitte keine Polizei«, flehte ich. Nicht schon wieder!
»Wieso, Sie haben sich doch nichts zuschulden kommen lassen«, sagte die Frau erstaunt.
»Mit em Fahrrädle durch d’ Karlspassasch wie a gsengde Sau, koi Bolizei, on des Bild, des sen doch au net Sie«, sagte der Mann vom Sicherheitsdienst triumphierend und streckte mir den Personalausweis unter die Nase, den er aus meiner Tasche gefingert hatte.
Seit der Geschichte mit dem Kinderwagen trug ich den Ausweis immer bei mir.
»Natürlich bin ich das«, rief ich, vollkommen genervt. »Das ist ein Scheiß-Automatenfoto vom Charlottenplatz!«
»Die Frau uff dem Fodo isch viel scheener! Des soll d’ Bolizei klära«, sagte der Security-Mann ungerührt.
In diesem Augenblick schob sich ein Sanitäter mit einer riesigen Tasche durch die Menge. Er warf erst einen Blick auf mich und meinen Fuß und dann auf die Verkäuferin, die noch immer am Boden lag, dann zog er ein Kosmetiktuch aus einer Papierbox auf einem Verkaufstresen und reichte es mir. »Draufdrücken!«, befahl er. »Ich komme gleich zu Ihnen.«
Ich hatte die Wunde am Fuß komplett vergessen und mittlerweile war ziemlich viel Blut auf die Hirsche, Füchse und Zwerge getropft.
Der Sani kniete sich neben die Verkäuferin.
»Können Sie mich hören?«, brüllte er.
»Schreiad Se doch net so«, sagte die Verkäuferin.
»Wie heißen Sie? Wie viele Finger sehen Sie?«, brüllte der Sanitäter und leuchtete der Frau mit einer Taschenlampe in die Augen, während er gleichzeitig mit vier Fingern vor ihrem Gesicht herumfuchtelte.
Die Menge, die mittlerweile weiter angewachsen war, teilte sich erneut. Es war ein bisschen wie im Kasperletheater. Jedes Mal, wenn der Vorhang aufging, traten neue Figuren auf. Vielleicht sollte ich einen Hut herumgehen lassen?
Jetzt kamen die Polizistenpuppen, eine weibliche und eine männliche.
»Simon!«
»Line!«
Das Publikum reckte die Hälse. Offensichtlich fühlte es sich glänzend unterhalten. Von allen Polizisten in Stuttgart musste ausgerechnet Simon hier auftauchen!
»Ihr kennt euch?«, sagte die Polizistin, kniff die Augen zusammen und hakte die Daumen rechts und links in den Hosengürtel. Sie hatte blonde kinnlange Locken und sah obenrum aus wie ein Engelchen, was irgendwie nicht zu den muskulösen Oberarmen und der Dienstwaffe in ihrem Holster passte.
»Kennen wäre zu viel gesagt«, sagte Simon. »Wir sind
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