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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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bewerben. Auf dem Fußboden lag ein zerfledderter Prospekt. Ich hob ihn auf: Dirndl und Lederhosen.
    Ich öffnete die Häkchen des Dirndl-Mieders und ließ das Kleid von meinen Schultern gleiten. Trotzdem hatte ich noch immer das Gefühl, nicht richtig Luft zu bekommen. Auf meiner Brust lag ein Stein, zentnerschwer. Ich stellte mich unter die Dusche und versuchte Schweiß, Angst und Trauer abzuspülen. Es gelang mir nur bedingt. Außerdem hatte ich den Verband am Fuß vergessen. Weil ich nichts zum Übernachten dabeihatte und kein T-Shirt von Leon anziehen wollte, ging ich nackt in die Küche und machte mir ein Schinkenbrot. Es war mindestens zwei Stunden her, seit ich Leon und Yvette gesehen hatte. Warum kam Leon nicht? Bahnen fuhren jetzt nicht mehr, aber ein Ingenieur konnte sich doch wohl ein Taxi leisten! Ich nahm zwei Bissen von dem Brot und ließ es dann liegen, trank ein Glas Leitungswasser, putzte mechanisch die Zähne und legte mich nackt ins Bett. Ich ließ das Licht brennen und beschloss, auf Leon zu warten.
    Irgendwann wachte ich auf. Leons Wecker zeigte kurz nach halb fünf und in der Wohnung war es totenstill. Ich löschte das Licht und weinte mich zurück in den Schlaf.
    »Line, o mein Gott!«
    Ich fuhr hoch. Draußen war es hell. Leon stand im Türrahmen. Das rotkarierte Hemd hing halb aus seiner albernen Lederhose, Bartstoppeln sprießten im Gesicht. Er sah bleich und übernächtigt aus. Ein Hamburger in Lederhose, groben Stricksocken und Haferlschuhen – das war doch wohl zum Piepen! Ich fing an, hysterisch zu lachen. Dann ging mein Lachen in Schluchzen über. Gleich würde Leon angerannt kommen. Er würde mich in die Arme nehmen und mir sagen, dass er auf Yvettes Sessel eingeschlafen war. Er würde mich sanft schelten, dass ich so wenig Vertrauen in ihn hatte. Aber Leon stand da wie vom Blitz getroffen. Dann kam er näher, ganz langsam, und blieb vor dem Bett stehen, mit herunterhängenden Armen. Sein Blick fiel auf den Kleiderhaufen am Boden. Er hob das dreckige, stinkende, blutbefleckte Dirndlkleid auf und seine Augen füllten sich mit Tränen. Noch nie hatte ich Leon weinen sehen.
    »Du hast dir ein Dirndl gekauft ...«, flüsterte er. Dann rutschte er langsam auf den Boden und verbarg das Gesicht in den Händen.
    Nein. Das war das falsche Drehbuch!
    »Ich war auf dem Wasen«, schluchzte ich. »Ich habe euch gesehen, Yvette und dich. Auf dem S-Bahnsteig.« Ich sprang aus dem Bett, nackt wie ich war, und kniete vor Leon nieder. »Leon, sag mir endlich, was passiert ist. Dass nichts passiert ist, sonst werde ich wahnsinnig!«
    Leon schwieg. Dann nahm er die Hände vom Gesicht und sah mich an. Er roch nach Bier. »Doch«, sagte er leise. »Doch, Line, es ist etwas passiert.«
    Mein Herz blieb stehen. Yvettes triumphierender Blick. Die innere Stimme, die wahrscheinlich wie ein Navi zu ihr gesagt hatte: »Sie haben Ihr Ziel erreicht.«
    »Bitte, sag, dass das nicht wahr ist«, flüsterte ich. »Du hast gesagt, Yvette bedeutet dir nichts mehr.«
    »Ich weiß«, sagte Leon kaum hörbar. »Sie hat mir auch nichts mehr bedeutet.«
    »Warum ist es dann passiert?«, brach es aus mir heraus.
    Leon schwieg.
    »Du hast mir immer wieder vorgeworfen, ich würde dir nicht vertrauen. Wie schnell so ein bisschen Bier die Gefühle ändern kann. War’s wenigstens gut?«, fragte ich bitter.
    »Nein. Nein, es war nicht gut, Line. Es fühlte sich dreckig und verlogen und falsch an. Yvette war sehr betrunken, ich wollte sie in ein Taxi setzen, aber alle Taxis waren weg. Ich konnte sie in dem Zustand nicht allein lassen. Dann fing sie an ... Aber es wäre unfair, ihr die Schuld zuzuschieben. Ich hab mich hinreißen lassen. Und obwohl ich betrunken war und es eigentlich noch bin, wusste ich sofort, dass ich den größten Fehler meines Lebens gemacht habe. Erst dachte ich, ich fahre direkt zu dir, aber in diesem Zustand wollte ich nicht bei dir aufkreuzen. Line, ich wollte mich duschen, rasieren, einen Kaffee trinken und dann schnurstracks zu dir fahren, um dir die Wahrheit zu sagen und dich um Verzeihung zu bitten. Und um dir endlich zu sagen, was ich schon lange hätte sagen sollen. Ich hab mich nur nicht getraut. Ich liebe dich, Line. Ich liebe dich und möchte mit keiner anderen Frau außer dir zusammen sein. Und ins Bett gehen.«
    »Musstest du erst noch mal mit Yvette ins Bett steigen, um das herauszufinden? Nur weil ich kein Dirndl anziehen wollte?«, flüsterte ich.
    »Line, ich habe keine Entschuldigung. Ich

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